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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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burtstag eines ihrer Kinder durch Musik und Tanz. Nachher sollte Puppenspiel seyn. Sie glaubte, daß diese Art von Zerstreuung ihrem unglücklichen Miethmanne, der sie mit Mitleiden durchdrang, zuträglich seyn könnte, und lud ihn daher selbst ein, um ihn sogleich mit in die Gesellschaft zu nehmen. Sie fand ihn nackt vor dem Spiegel stehen. Er, ohne sich darum zu bekümmern, wes Geschlechts seine Zuschauerinn wäre, ging, auf ihre Einladung, die Stube auf und ab, um einen Entschluß zu fassen, sagte endlich: er werde kommen, nur müsse er sich doch wohl erst ein wenig besser ankleiden, als er es jetzo wäre.

Viel besser, als in der Naturkleidung, erschien er nun wirklich nicht. Lederne Beinkleider, Stiefeln und Sporn, und ein Ueberrock auf dem bloßen Leibe, war sein ganzer Anzug. Er forderte seine Wirthinn zu einem Minuet auf, tanzte die erste Hälfte desselben ganz richtig; aber verließ beim Handgeben Tanzplatz und Gesellschaft, ging in das Zimmer, wo das Marionettentheater schon angeordnet war, und richtete unter den armen, wehrlosen Schauspielern eine schreckliche Verwüstung an. Er kam aber bald wieder zum Besinnen, suchte seine Wirthinn auf, bat sie mit thränenden Augen, ihm zu verzeihen, und Mitleiden mit ihm zu haben. Er wollte seine silbernen Schuhschnallen verkaufen, um ihr den Schaden zu ersetzen. Für die Zerstö


burtstag eines ihrer Kinder durch Musik und Tanz. Nachher sollte Puppenspiel seyn. Sie glaubte, daß diese Art von Zerstreuung ihrem ungluͤcklichen Miethmanne, der sie mit Mitleiden durchdrang, zutraͤglich seyn koͤnnte, und lud ihn daher selbst ein, um ihn sogleich mit in die Gesellschaft zu nehmen. Sie fand ihn nackt vor dem Spiegel stehen. Er, ohne sich darum zu bekuͤmmern, wes Geschlechts seine Zuschauerinn waͤre, ging, auf ihre Einladung, die Stube auf und ab, um einen Entschluß zu fassen, sagte endlich: er werde kommen, nur muͤsse er sich doch wohl erst ein wenig besser ankleiden, als er es jetzo waͤre.

Viel besser, als in der Naturkleidung, erschien er nun wirklich nicht. Lederne Beinkleider, Stiefeln und Sporn, und ein Ueberrock auf dem bloßen Leibe, war sein ganzer Anzug. Er forderte seine Wirthinn zu einem Minuet auf, tanzte die erste Haͤlfte desselben ganz richtig; aber verließ beim Handgeben Tanzplatz und Gesellschaft, ging in das Zimmer, wo das Marionettentheater schon angeordnet war, und richtete unter den armen, wehrlosen Schauspielern eine schreckliche Verwuͤstung an. Er kam aber bald wieder zum Besinnen, suchte seine Wirthinn auf, bat sie mit thraͤnenden Augen, ihm zu verzeihen, und Mitleiden mit ihm zu haben. Er wollte seine silbernen Schuhschnallen verkaufen, um ihr den Schaden zu ersetzen. Fuͤr die Zerstoͤ

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[77/0077] burtstag eines ihrer Kinder durch Musik und Tanz. Nachher sollte Puppenspiel seyn. Sie glaubte, daß diese Art von Zerstreuung ihrem ungluͤcklichen Miethmanne, der sie mit Mitleiden durchdrang, zutraͤglich seyn koͤnnte, und lud ihn daher selbst ein, um ihn sogleich mit in die Gesellschaft zu nehmen. Sie fand ihn nackt vor dem Spiegel stehen. Er, ohne sich darum zu bekuͤmmern, wes Geschlechts seine Zuschauerinn waͤre, ging, auf ihre Einladung, die Stube auf und ab, um einen Entschluß zu fassen, sagte endlich: er werde kommen, nur muͤsse er sich doch wohl erst ein wenig besser ankleiden, als er es jetzo waͤre. Viel besser, als in der Naturkleidung, erschien er nun wirklich nicht. Lederne Beinkleider, Stiefeln und Sporn, und ein Ueberrock auf dem bloßen Leibe, war sein ganzer Anzug. Er forderte seine Wirthinn zu einem Minuet auf, tanzte die erste Haͤlfte desselben ganz richtig; aber verließ beim Handgeben Tanzplatz und Gesellschaft, ging in das Zimmer, wo das Marionettentheater schon angeordnet war, und richtete unter den armen, wehrlosen Schauspielern eine schreckliche Verwuͤstung an. Er kam aber bald wieder zum Besinnen, suchte seine Wirthinn auf, bat sie mit thraͤnenden Augen, ihm zu verzeihen, und Mitleiden mit ihm zu haben. Er wollte seine silbernen Schuhschnallen verkaufen, um ihr den Schaden zu ersetzen. Fuͤr die Zerstoͤ

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/77>, abgerufen am 28.11.2024.