Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


des ungebildeten Menschen sich leider so gern weidet, und machte ihm Hofnung. Dem unbefangenen Manne hätte die Art, wie sie ihm gemacht wurde, freilich leicht gezeigt, daß man nie dachte sie zu erfüllen. Jhn blendeten sie.

Liebe, Gewissensbisse, über die Vernachläßigung seines Hauptfaches, und spekulative Weltweisheit, als seine Lieblingswissenschaft, drängten sich stets seinem Geiste zu gleicher Zeit auf, konnten nur durch Kampf herausgehoben werden, und bekämpften endlich ihn selbst. Er ward krank.

Von seiner Krankheit genaß er; aber sein Verstand war zerrüttet. Er sprach irre; und an die Fortsetzung seiner Studien war nun nicht mehr zu denken. Seine Freunde in K. wollten ihn von einem Orte entfernen, wo die Gegenstände alle zu lebhaft auf ihn wirken, alle ihn an vorige Zeiten erinnern mußten. Sie glaubten, daß seine völlige Genesung vielleicht am besten in dem Schooße seiner Familie gelingen möchte; er sollte daher nach H. zu seinen Brüdern. Bei dieser Reise mußte er über Berlin, wo ihm, von seinen Gönnern, der Aufenthalt von einigen Monathen, zu seiner Zerstreuung verstattet wurde, und wo ihm während dieses Aufenthalts 15 Rthl. monathlich durch mich ausgezahlt werden sollten.



des ungebildeten Menschen sich leider so gern weidet, und machte ihm Hofnung. Dem unbefangenen Manne haͤtte die Art, wie sie ihm gemacht wurde, freilich leicht gezeigt, daß man nie dachte sie zu erfuͤllen. Jhn blendeten sie.

Liebe, Gewissensbisse, uͤber die Vernachlaͤßigung seines Hauptfaches, und spekulative Weltweisheit, als seine Lieblingswissenschaft, draͤngten sich stets seinem Geiste zu gleicher Zeit auf, konnten nur durch Kampf herausgehoben werden, und bekaͤmpften endlich ihn selbst. Er ward krank.

Von seiner Krankheit genaß er; aber sein Verstand war zerruͤttet. Er sprach irre; und an die Fortsetzung seiner Studien war nun nicht mehr zu denken. Seine Freunde in K. wollten ihn von einem Orte entfernen, wo die Gegenstaͤnde alle zu lebhaft auf ihn wirken, alle ihn an vorige Zeiten erinnern mußten. Sie glaubten, daß seine voͤllige Genesung vielleicht am besten in dem Schooße seiner Familie gelingen moͤchte; er sollte daher nach H. zu seinen Bruͤdern. Bei dieser Reise mußte er uͤber Berlin, wo ihm, von seinen Goͤnnern, der Aufenthalt von einigen Monathen, zu seiner Zerstreuung verstattet wurde, und wo ihm waͤhrend dieses Aufenthalts 15 Rthl. monathlich durch mich ausgezahlt werden sollten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0072" n="72"/><lb/>
des ungebildeten Menschen sich leider so gern weidet, und                         machte ihm Hofnung. Dem unbefangenen Manne ha&#x0364;tte die Art, wie sie ihm                         gemacht wurde, freilich leicht gezeigt, daß man nie dachte sie zu erfu&#x0364;llen.                         Jhn blendeten sie. </p>
            <p>Liebe, Gewissensbisse, u&#x0364;ber die Vernachla&#x0364;ßigung seines Hauptfaches, und                         spekulative Weltweisheit, als seine Lieblingswissenschaft, dra&#x0364;ngten sich                         stets seinem Geiste zu gleicher Zeit auf, konnten nur durch Kampf                         herausgehoben werden, und beka&#x0364;mpften endlich ihn selbst. Er ward krank. </p>
            <p>Von seiner Krankheit genaß er; aber sein Verstand war zerru&#x0364;ttet. Er sprach                         irre; und an die Fortsetzung seiner Studien war nun nicht mehr zu denken.                         Seine Freunde in K. wollten ihn von einem Orte entfernen, wo die Gegensta&#x0364;nde                         alle zu lebhaft auf ihn wirken, alle ihn an vorige Zeiten erinnern mußten.                         Sie glaubten, daß seine vo&#x0364;llige Genesung vielleicht am besten in dem Schooße                         seiner Familie gelingen mo&#x0364;chte; er sollte daher nach H. zu seinen Bru&#x0364;dern.                         Bei dieser Reise mußte er u&#x0364;ber Berlin, wo ihm, von seinen Go&#x0364;nnern, der                         Aufenthalt von einigen Monathen, zu seiner Zerstreuung verstattet wurde, und                         wo ihm wa&#x0364;hrend dieses Aufenthalts 15 Rthl. monathlich durch mich ausgezahlt                         werden sollten. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0072] des ungebildeten Menschen sich leider so gern weidet, und machte ihm Hofnung. Dem unbefangenen Manne haͤtte die Art, wie sie ihm gemacht wurde, freilich leicht gezeigt, daß man nie dachte sie zu erfuͤllen. Jhn blendeten sie. Liebe, Gewissensbisse, uͤber die Vernachlaͤßigung seines Hauptfaches, und spekulative Weltweisheit, als seine Lieblingswissenschaft, draͤngten sich stets seinem Geiste zu gleicher Zeit auf, konnten nur durch Kampf herausgehoben werden, und bekaͤmpften endlich ihn selbst. Er ward krank. Von seiner Krankheit genaß er; aber sein Verstand war zerruͤttet. Er sprach irre; und an die Fortsetzung seiner Studien war nun nicht mehr zu denken. Seine Freunde in K. wollten ihn von einem Orte entfernen, wo die Gegenstaͤnde alle zu lebhaft auf ihn wirken, alle ihn an vorige Zeiten erinnern mußten. Sie glaubten, daß seine voͤllige Genesung vielleicht am besten in dem Schooße seiner Familie gelingen moͤchte; er sollte daher nach H. zu seinen Bruͤdern. Bei dieser Reise mußte er uͤber Berlin, wo ihm, von seinen Goͤnnern, der Aufenthalt von einigen Monathen, zu seiner Zerstreuung verstattet wurde, und wo ihm waͤhrend dieses Aufenthalts 15 Rthl. monathlich durch mich ausgezahlt werden sollten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/72
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/72>, abgerufen am 18.05.2024.