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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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Schreibt der Franzose wohl so wie der Engländer -- der Deutsche wie der Franzose? -- Die Anthropologie hat würklich noch manchen Wunsch zu thun, der freilich nicht für den festern aktenmäßigen Kopf ist. Was wäre wohl ein bleibenders Denkmahl des Charakteristischen jeder Nation, als eine Aufstellung ihrer Handschrift, wie die ihrer Nationalphysiognomie? -- Die gute Vorwelt hat uns Beweise zur Bestätigung der obigen Behauptung hinterlassen.

Der Römer, so fest, muthig, männlich, ausharrend, gedrängt das Gefühl seiner Mannskraft war -- so voll seine Sprache, so groß seine Physiognomik: -- so voll, so rund seine Handschrift.

Der Grieche, so sehr intellektuelle Schönheit, platonische Liebe genießend, so weich, so geistig sein Nerve: -- so fortfließend, sich fortschlängelnd, wellenlinienmäßig auch seine Buchstaben.

Der alte Bewohner Germaniens, wo die Natur noch ihre rohe angebohrne Festigkeit hatte, zog seine Buchstaben eben so fest, so perpendikulär, als Ausdruck des Festen, eben so quadratförmig, als das Zeichen der Unerschütterlichkeit hin. Hier blos Vormauer und sich brechende Scheidewand.

So heiß die Einbildungskraft, das Blut des Morgenländers, so ausschweifend seine Dich-


Schreibt der Franzose wohl so wie der Englaͤnder — der Deutsche wie der Franzose? — Die Anthropologie hat wuͤrklich noch manchen Wunsch zu thun, der freilich nicht fuͤr den festern aktenmaͤßigen Kopf ist. Was waͤre wohl ein bleibenders Denkmahl des Charakteristischen jeder Nation, als eine Aufstellung ihrer Handschrift, wie die ihrer Nationalphysiognomie? — Die gute Vorwelt hat uns Beweise zur Bestaͤtigung der obigen Behauptung hinterlassen.

Der Roͤmer, so fest, muthig, maͤnnlich, ausharrend, gedraͤngt das Gefuͤhl seiner Mannskraft war — so voll seine Sprache, so groß seine Physiognomik: — so voll, so rund seine Handschrift.

Der Grieche, so sehr intellektuelle Schoͤnheit, platonische Liebe genießend, so weich, so geistig sein Nerve: — so fortfließend, sich fortschlaͤngelnd, wellenlinienmaͤßig auch seine Buchstaben.

Der alte Bewohner Germaniens, wo die Natur noch ihre rohe angebohrne Festigkeit hatte, zog seine Buchstaben eben so fest, so perpendikulaͤr, als Ausdruck des Festen, eben so quadratfoͤrmig, als das Zeichen der Unerschuͤtterlichkeit hin. Hier blos Vormauer und sich brechende Scheidewand.

So heiß die Einbildungskraft, das Blut des Morgenlaͤnders, so ausschweifend seine Dich-

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[57/0057] Schreibt der Franzose wohl so wie der Englaͤnder — der Deutsche wie der Franzose? — Die Anthropologie hat wuͤrklich noch manchen Wunsch zu thun, der freilich nicht fuͤr den festern aktenmaͤßigen Kopf ist. Was waͤre wohl ein bleibenders Denkmahl des Charakteristischen jeder Nation, als eine Aufstellung ihrer Handschrift, wie die ihrer Nationalphysiognomie? — Die gute Vorwelt hat uns Beweise zur Bestaͤtigung der obigen Behauptung hinterlassen. Der Roͤmer, so fest, muthig, maͤnnlich, ausharrend, gedraͤngt das Gefuͤhl seiner Mannskraft war — so voll seine Sprache, so groß seine Physiognomik: — so voll, so rund seine Handschrift. Der Grieche, so sehr intellektuelle Schoͤnheit, platonische Liebe genießend, so weich, so geistig sein Nerve: — so fortfließend, sich fortschlaͤngelnd, wellenlinienmaͤßig auch seine Buchstaben. Der alte Bewohner Germaniens, wo die Natur noch ihre rohe angebohrne Festigkeit hatte, zog seine Buchstaben eben so fest, so perpendikulaͤr, als Ausdruck des Festen, eben so quadratfoͤrmig, als das Zeichen der Unerschuͤtterlichkeit hin. Hier blos Vormauer und sich brechende Scheidewand. So heiß die Einbildungskraft, das Blut des Morgenlaͤnders, so ausschweifend seine Dich-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/57>, abgerufen am 22.11.2024.