Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Hand und Handschrift ist eins, ein Ausdruck. -- Diese ist wie jene; wie sich jedes Temperament auf der Hand, dem Finger und Nagel unterscheidet: so unterscheidet es sich auch so in den verschiedenen Zügen des Buchstabens. -- Noch keinen Pflegmatiker habe ich gesehen mit der Hand, den Fingern, Nägeln eines Cholerikers, -- runde, fette, weiche, glänzende Hand mit kleinen fetten zugespitzten Fingern und weißen kurzen kleinen Nägeln statt der langen knöchernen mit Adern durchkreuzten Hand des Cholerikers: -- kein Weib mit der Hand, den Fingern eines Mannes, wie keinen Mann mit der eines Weibes -- so wie noch keinen Mann mit der stillen innig ruhig hinfließenden Empfindung des weiblichen Herzens, und kein Weib mit dem festen kalten Biedersinn, der gestählten Brust des Mannes. Die Hand arbeitet durch Einwürkung der Seele, mittelst der vielen Muskeln und Nerven, die sich an ihr herunterschlängeln und zu den Fingern hinlegen. Ein eigenes anatomisches Studium verlangt dieses Glied des menschlichen Körpers mit seinen tausend verborgenen Nerven- und Muskelverbindungen, welches nach dem Gesichte am deutlichsten die innren Bewegungen und Empfindungen der Seele abspiegelt, welches eben so, wie das geistigere Empfinden, den Men-
Hand und Handschrift ist eins, ein Ausdruck. — Diese ist wie jene; wie sich jedes Temperament auf der Hand, dem Finger und Nagel unterscheidet: so unterscheidet es sich auch so in den verschiedenen Zuͤgen des Buchstabens. — Noch keinen Pflegmatiker habe ich gesehen mit der Hand, den Fingern, Naͤgeln eines Cholerikers, — runde, fette, weiche, glaͤnzende Hand mit kleinen fetten zugespitzten Fingern und weißen kurzen kleinen Naͤgeln statt der langen knoͤchernen mit Adern durchkreuzten Hand des Cholerikers: — kein Weib mit der Hand, den Fingern eines Mannes, wie keinen Mann mit der eines Weibes — so wie noch keinen Mann mit der stillen innig ruhig hinfließenden Empfindung des weiblichen Herzens, und kein Weib mit dem festen kalten Biedersinn, der gestaͤhlten Brust des Mannes. Die Hand arbeitet durch Einwuͤrkung der Seele, mittelst der vielen Muskeln und Nerven, die sich an ihr herunterschlaͤngeln und zu den Fingern hinlegen. Ein eigenes anatomisches Studium verlangt dieses Glied des menschlichen Koͤrpers mit seinen tausend verborgenen Nerven- und Muskelverbindungen, welches nach dem Gesichte am deutlichsten die innren Bewegungen und Empfindungen der Seele abspiegelt, welches eben so, wie das geistigere Empfinden, den Men- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047" n="47"/><lb/> nießen, lassen die Vocale mehr als jene hoͤren, und sprechen mit einem voͤlligern Munde.« </p> <p>Hand und Handschrift ist eins, ein Ausdruck. — Diese ist wie jene; wie sich jedes Temperament auf der Hand, dem Finger und Nagel unterscheidet: so unterscheidet es sich auch so in den verschiedenen Zuͤgen des Buchstabens. — Noch keinen Pflegmatiker habe ich gesehen mit der Hand, den Fingern, Naͤgeln eines Cholerikers, — runde, fette, weiche, glaͤnzende Hand mit kleinen fetten zugespitzten Fingern und weißen kurzen kleinen Naͤgeln statt der langen knoͤchernen mit Adern durchkreuzten Hand des Cholerikers: — kein Weib mit der Hand, den Fingern eines Mannes, wie keinen Mann mit der eines Weibes — so wie noch keinen Mann mit der stillen innig ruhig hinfließenden Empfindung des weiblichen Herzens, und kein Weib mit dem festen kalten Biedersinn, der gestaͤhlten Brust des Mannes. Die Hand arbeitet durch Einwuͤrkung der Seele, mittelst der vielen Muskeln und Nerven, die sich an ihr herunterschlaͤngeln und zu den Fingern hinlegen. Ein eigenes anatomisches Studium verlangt dieses Glied des menschlichen Koͤrpers mit seinen tausend verborgenen Nerven- und Muskelverbindungen, welches nach dem Gesichte am deutlichsten die innren Bewegungen und Empfindungen der Seele abspiegelt, welches eben so, wie das geistigere Empfinden, den Men-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0047]
nießen, lassen die Vocale mehr als jene hoͤren, und sprechen mit einem voͤlligern Munde.«
Hand und Handschrift ist eins, ein Ausdruck. — Diese ist wie jene; wie sich jedes Temperament auf der Hand, dem Finger und Nagel unterscheidet: so unterscheidet es sich auch so in den verschiedenen Zuͤgen des Buchstabens. — Noch keinen Pflegmatiker habe ich gesehen mit der Hand, den Fingern, Naͤgeln eines Cholerikers, — runde, fette, weiche, glaͤnzende Hand mit kleinen fetten zugespitzten Fingern und weißen kurzen kleinen Naͤgeln statt der langen knoͤchernen mit Adern durchkreuzten Hand des Cholerikers: — kein Weib mit der Hand, den Fingern eines Mannes, wie keinen Mann mit der eines Weibes — so wie noch keinen Mann mit der stillen innig ruhig hinfließenden Empfindung des weiblichen Herzens, und kein Weib mit dem festen kalten Biedersinn, der gestaͤhlten Brust des Mannes. Die Hand arbeitet durch Einwuͤrkung der Seele, mittelst der vielen Muskeln und Nerven, die sich an ihr herunterschlaͤngeln und zu den Fingern hinlegen. Ein eigenes anatomisches Studium verlangt dieses Glied des menschlichen Koͤrpers mit seinen tausend verborgenen Nerven- und Muskelverbindungen, welches nach dem Gesichte am deutlichsten die innren Bewegungen und Empfindungen der Seele abspiegelt, welches eben so, wie das geistigere Empfinden, den Men-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/47>, abgerufen am 16.02.2025. |