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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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ich die Härte, Weichheit, Ruhe, Stätigkeit, Geistigkeit und Empfänglichkeit des Nerven in den Buchstaben zu finden glaube? Thue ich etwas mehr, als jener Schriftsteller, den Winkelmann in seiner Geschichte der Kunst anführet, der aus dem härtern oder weichern Nervengewebe des Gaumens den verschiedenen Sprachausdruck herleitet: "Die Bildung des Gesichts ist so verschieden, wie die Sprachen, ja wie die Mundarten derselben; und diese sind es vermöge der Werkzeuge der Rede selbst, so daß in kalten Ländern die Nerven der Zunge starrer und weniger schnell seyn müssen, als in wärmern Ländern; und wenn den Grönländern und verschiedenen Völkern in Amerika Buchstaben mangeln, muß dies aus eben dem Grunde herrühren. Daher kommt es, daß alle mitternächtige Sprachen mehr einsylbige Worte haben, und mehr mit Konsonanten überladen sind, deren Verbindung und Aussprache andern Nationen schwer, ja zum Theil unmöglich fällt. Jn dem verschiednen Gewebe und Bildung der Werkzeuge der Rede suchet ein berühmter Scribent sogar den Unterschied der Mundarten der Jtaliänischen Sprache. Aus angeführtem Grunde, sagt er, haben die Lombarder, welche in kältern Ländern von Jtalien geboren sind, eine rauhe und abgekürzte Aussprache; die Toskaner und Römer reden mit einem abgemessenern Tone; die Neapolitaner, welche einen noch wärmern Himmel ge-


ich die Haͤrte, Weichheit, Ruhe, Staͤtigkeit, Geistigkeit und Empfaͤnglichkeit des Nerven in den Buchstaben zu finden glaube? Thue ich etwas mehr, als jener Schriftsteller, den Winkelmann in seiner Geschichte der Kunst anfuͤhret, der aus dem haͤrtern oder weichern Nervengewebe des Gaumens den verschiedenen Sprachausdruck herleitet: »Die Bildung des Gesichts ist so verschieden, wie die Sprachen, ja wie die Mundarten derselben; und diese sind es vermoͤge der Werkzeuge der Rede selbst, so daß in kalten Laͤndern die Nerven der Zunge starrer und weniger schnell seyn muͤssen, als in waͤrmern Laͤndern; und wenn den Groͤnlaͤndern und verschiedenen Voͤlkern in Amerika Buchstaben mangeln, muß dies aus eben dem Grunde herruͤhren. Daher kommt es, daß alle mitternaͤchtige Sprachen mehr einsylbige Worte haben, und mehr mit Konsonanten uͤberladen sind, deren Verbindung und Aussprache andern Nationen schwer, ja zum Theil unmoͤglich faͤllt. Jn dem verschiednen Gewebe und Bildung der Werkzeuge der Rede suchet ein beruͤhmter Scribent sogar den Unterschied der Mundarten der Jtaliaͤnischen Sprache. Aus angefuͤhrtem Grunde, sagt er, haben die Lombarder, welche in kaͤltern Laͤndern von Jtalien geboren sind, eine rauhe und abgekuͤrzte Aussprache; die Toskaner und Roͤmer reden mit einem abgemessenern Tone; die Neapolitaner, welche einen noch waͤrmern Himmel ge-

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[46/0046] ich die Haͤrte, Weichheit, Ruhe, Staͤtigkeit, Geistigkeit und Empfaͤnglichkeit des Nerven in den Buchstaben zu finden glaube? Thue ich etwas mehr, als jener Schriftsteller, den Winkelmann in seiner Geschichte der Kunst anfuͤhret, der aus dem haͤrtern oder weichern Nervengewebe des Gaumens den verschiedenen Sprachausdruck herleitet: »Die Bildung des Gesichts ist so verschieden, wie die Sprachen, ja wie die Mundarten derselben; und diese sind es vermoͤge der Werkzeuge der Rede selbst, so daß in kalten Laͤndern die Nerven der Zunge starrer und weniger schnell seyn muͤssen, als in waͤrmern Laͤndern; und wenn den Groͤnlaͤndern und verschiedenen Voͤlkern in Amerika Buchstaben mangeln, muß dies aus eben dem Grunde herruͤhren. Daher kommt es, daß alle mitternaͤchtige Sprachen mehr einsylbige Worte haben, und mehr mit Konsonanten uͤberladen sind, deren Verbindung und Aussprache andern Nationen schwer, ja zum Theil unmoͤglich faͤllt. Jn dem verschiednen Gewebe und Bildung der Werkzeuge der Rede suchet ein beruͤhmter Scribent sogar den Unterschied der Mundarten der Jtaliaͤnischen Sprache. Aus angefuͤhrtem Grunde, sagt er, haben die Lombarder, welche in kaͤltern Laͤndern von Jtalien geboren sind, eine rauhe und abgekuͤrzte Aussprache; die Toskaner und Roͤmer reden mit einem abgemessenern Tone; die Neapolitaner, welche einen noch waͤrmern Himmel ge-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/46>, abgerufen am 24.11.2024.