Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.2. Untersuchung der Möglichkeit einer Charakterzeichnung aus der Handschrift. ![]() Der mit einem geistigen Aether durchströmte Nerve empfindet sehr vieles, was für den gröber organisirten Boeotier gleichsam Nichtexistenz ist, und das durch Erziehung höher geschrittene Menschenalter entdeckt eben so viel neues, wofür der noch in seinem harten Knochengebäude ruhende Embryo des Menschengeschlechts weder Empfänglichkeit noch Gefühl hatte. So steht denn täglich eine neue Welt auf, nicht allein umgeänderte Modifikazion der alten, sondern würklich neue Schöpfung, für den empfindenden nicht minder, als für den physischen Menschen neue Welttheile und Kolumbusse. -- Schwärmer nennt unser Zeitalter unter andern auch diejenigen, welche, wie jener kühne Seefahrer auf der Spitze seines Schifs, solche unbekannte Welttheile ahnden -- die der periodischen Erziehung ihrer Zeitgenossen vorangeschritten, den Leibnitzischen Uebergang von dem rohern zu dem künftigen gebildeten Menschengeschlechte machen, und die ihre nur von fern ahndenden Empfindungen den schon alles entdeckt glaubenden Zeitgenossen verkündigen. Gewiß drängen solche feiner gebildete 2. Untersuchung der Moͤglichkeit einer Charakterzeichnung aus der Handschrift. ![]() Der mit einem geistigen Aether durchstroͤmte Nerve empfindet sehr vieles, was fuͤr den groͤber organisirten Boeotier gleichsam Nichtexistenz ist, und das durch Erziehung hoͤher geschrittene Menschenalter entdeckt eben so viel neues, wofuͤr der noch in seinem harten Knochengebaͤude ruhende Embryo des Menschengeschlechts weder Empfaͤnglichkeit noch Gefuͤhl hatte. So steht denn taͤglich eine neue Welt auf, nicht allein umgeaͤnderte Modifikazion der alten, sondern wuͤrklich neue Schoͤpfung, fuͤr den empfindenden nicht minder, als fuͤr den physischen Menschen neue Welttheile und Kolumbusse. — Schwaͤrmer nennt unser Zeitalter unter andern auch diejenigen, welche, wie jener kuͤhne Seefahrer auf der Spitze seines Schifs, solche unbekannte Welttheile ahnden — die der periodischen Erziehung ihrer Zeitgenossen vorangeschritten, den Leibnitzischen Uebergang von dem rohern zu dem kuͤnftigen gebildeten Menschengeschlechte machen, und die ihre nur von fern ahndenden Empfindungen den schon alles entdeckt glaubenden Zeitgenossen verkuͤndigen. Gewiß draͤngen solche feiner gebildete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0034" n="34"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head>2. Untersuchung der Moͤglichkeit einer Charakterzeichnung aus der Handschrift.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref16"><note type="editorial"/>Grohmann, Johann Christian August</persName> </bibl> </note> <p>Der mit einem geistigen Aether durchstroͤmte Nerve empfindet sehr vieles, was fuͤr <choice><corr>den</corr><sic>dem</sic></choice> groͤber organisirten Boeotier gleichsam Nichtexistenz ist, und das durch Erziehung hoͤher geschrittene Menschenalter entdeckt eben so viel neues, wofuͤr der noch in seinem harten Knochengebaͤude ruhende Embryo des Menschengeschlechts weder Empfaͤnglichkeit noch Gefuͤhl hatte. So steht denn taͤglich eine neue Welt auf, nicht allein umgeaͤnderte Modifikazion der alten, sondern wuͤrklich neue Schoͤpfung, fuͤr den empfindenden nicht minder, als fuͤr den physischen Menschen neue Welttheile und Kolumbusse. — </p> <p>Schwaͤrmer nennt unser Zeitalter unter andern auch diejenigen, welche, wie jener kuͤhne Seefahrer auf der Spitze seines Schifs, solche unbekannte Welttheile ahnden — die der periodischen Erziehung ihrer Zeitgenossen vorangeschritten, den Leibnitzischen Uebergang von dem rohern zu dem kuͤnftigen gebildeten Menschengeschlechte machen, und die ihre nur von fern ahndenden Empfindungen den schon alles entdeckt glaubenden Zeitgenossen verkuͤndigen. Gewiß draͤngen solche feiner gebildete<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0034]
2. Untersuchung der Moͤglichkeit einer Charakterzeichnung aus der Handschrift.
Der mit einem geistigen Aether durchstroͤmte Nerve empfindet sehr vieles, was fuͤr den groͤber organisirten Boeotier gleichsam Nichtexistenz ist, und das durch Erziehung hoͤher geschrittene Menschenalter entdeckt eben so viel neues, wofuͤr der noch in seinem harten Knochengebaͤude ruhende Embryo des Menschengeschlechts weder Empfaͤnglichkeit noch Gefuͤhl hatte. So steht denn taͤglich eine neue Welt auf, nicht allein umgeaͤnderte Modifikazion der alten, sondern wuͤrklich neue Schoͤpfung, fuͤr den empfindenden nicht minder, als fuͤr den physischen Menschen neue Welttheile und Kolumbusse. —
Schwaͤrmer nennt unser Zeitalter unter andern auch diejenigen, welche, wie jener kuͤhne Seefahrer auf der Spitze seines Schifs, solche unbekannte Welttheile ahnden — die der periodischen Erziehung ihrer Zeitgenossen vorangeschritten, den Leibnitzischen Uebergang von dem rohern zu dem kuͤnftigen gebildeten Menschengeschlechte machen, und die ihre nur von fern ahndenden Empfindungen den schon alles entdeckt glaubenden Zeitgenossen verkuͤndigen. Gewiß draͤngen solche feiner gebildete
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/34>, abgerufen am 16.02.2025. |