Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Jnzwischen sie oft nach Erlösung von Gefahr in diesem Hause seufzte, so seufzte ihre Mutter zu Hause jenseit des Sees nach ihr, und hatte doch gar nicht das Herz, sie aus dem vornehmen, reichen und einträglichen Hause selbst zurück zu verlangen. Denn Nöthe aus langen Unbesonnenheiten machen ganz verlegen, wie sinnlos. Da machte ihr der Philosoph, der sowohl als Arzt als aus Vetterschaft Freund des Hauses war, wiederum ganz frischen Muth, ihr vorstellend, daß ohne eine solche Person, wie die älteste Tochter, die in den vornehmsten Häusern große und weitläuftige Haushaltung fertig und gut gelernt, all ihr jetziges Hauswesen wiederum den Krebsgang und bald zu Grunde gehen würde, zumal da sie, die Hausmutter, öfters unpäßlich und ohnedem schwächlich sey von vielerlei Empfindlichkeiten, wodurch vieles in Unordnung komme und in Ruin gerathe, es sey daher die Hülfe der ersten Tochter nicht nur jetzt absolut nothwendig, sondern auch durch vernünftige Vorstellung und Bitte von der vornehmen Herrschaft richtig und wohl zu erhalten. Er gab dann an, wie die nothwendige Vorstellung an die Herrschaft füglich in einem Schreiben zu verfassen sey, und an die Tochter könne sie schreiben, wie es ihr Herz verlange. Gesagt, gethan; es gieng.
Jnzwischen sie oft nach Erloͤsung von Gefahr in diesem Hause seufzte, so seufzte ihre Mutter zu Hause jenseit des Sees nach ihr, und hatte doch gar nicht das Herz, sie aus dem vornehmen, reichen und eintraͤglichen Hause selbst zuruͤck zu verlangen. Denn Noͤthe aus langen Unbesonnenheiten machen ganz verlegen, wie sinnlos. Da machte ihr der Philosoph, der sowohl als Arzt als aus Vetterschaft Freund des Hauses war, wiederum ganz frischen Muth, ihr vorstellend, daß ohne eine solche Person, wie die aͤlteste Tochter, die in den vornehmsten Haͤusern große und weitlaͤuftige Haushaltung fertig und gut gelernt, all ihr jetziges Hauswesen wiederum den Krebsgang und bald zu Grunde gehen wuͤrde, zumal da sie, die Hausmutter, oͤfters unpaͤßlich und ohnedem schwaͤchlich sey von vielerlei Empfindlichkeiten, wodurch vieles in Unordnung komme und in Ruin gerathe, es sey daher die Huͤlfe der ersten Tochter nicht nur jetzt absolut nothwendig, sondern auch durch vernuͤnftige Vorstellung und Bitte von der vornehmen Herrschaft richtig und wohl zu erhalten. Er gab dann an, wie die nothwendige Vorstellung an die Herrschaft fuͤglich in einem Schreiben zu verfassen sey, und an die Tochter koͤnne sie schreiben, wie es ihr Herz verlange. Gesagt, gethan; es gieng. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0097" n="97"/><lb/> ihr Herz schon maͤchtig eingenommen hatte, sonst haͤtte er sich vergebliche Muͤhe und Scham erspart.</p> <p>Jnzwischen sie oft nach Erloͤsung von Gefahr in diesem Hause seufzte, so seufzte ihre Mutter zu Hause jenseit des Sees nach ihr, und hatte doch gar nicht das Herz, sie aus dem vornehmen, reichen und eintraͤglichen Hause selbst zuruͤck zu verlangen. Denn Noͤthe aus langen Unbesonnenheiten machen ganz verlegen, wie sinnlos. Da machte ihr der Philosoph, der sowohl als Arzt als aus Vetterschaft Freund des Hauses war, wiederum ganz frischen Muth, ihr vorstellend, daß ohne eine solche Person, wie die aͤlteste Tochter, die in den vornehmsten Haͤusern große und weitlaͤuftige Haushaltung fertig und gut gelernt, all ihr jetziges Hauswesen wiederum den Krebsgang und bald zu Grunde gehen wuͤrde, zumal da sie, die Hausmutter, oͤfters unpaͤßlich und ohnedem schwaͤchlich sey von vielerlei Empfindlichkeiten, wodurch vieles in Unordnung komme und in Ruin gerathe, es sey daher die Huͤlfe der ersten Tochter nicht nur jetzt absolut nothwendig, sondern auch durch vernuͤnftige Vorstellung und Bitte von der vornehmen Herrschaft richtig und wohl zu erhalten. Er gab dann an, wie die nothwendige Vorstellung an die Herrschaft fuͤglich in einem Schreiben zu verfassen sey, und an die Tochter koͤnne sie schreiben, wie es ihr Herz verlange. Gesagt, gethan; es gieng.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0097]
ihr Herz schon maͤchtig eingenommen hatte, sonst haͤtte er sich vergebliche Muͤhe und Scham erspart.
Jnzwischen sie oft nach Erloͤsung von Gefahr in diesem Hause seufzte, so seufzte ihre Mutter zu Hause jenseit des Sees nach ihr, und hatte doch gar nicht das Herz, sie aus dem vornehmen, reichen und eintraͤglichen Hause selbst zuruͤck zu verlangen. Denn Noͤthe aus langen Unbesonnenheiten machen ganz verlegen, wie sinnlos. Da machte ihr der Philosoph, der sowohl als Arzt als aus Vetterschaft Freund des Hauses war, wiederum ganz frischen Muth, ihr vorstellend, daß ohne eine solche Person, wie die aͤlteste Tochter, die in den vornehmsten Haͤusern große und weitlaͤuftige Haushaltung fertig und gut gelernt, all ihr jetziges Hauswesen wiederum den Krebsgang und bald zu Grunde gehen wuͤrde, zumal da sie, die Hausmutter, oͤfters unpaͤßlich und ohnedem schwaͤchlich sey von vielerlei Empfindlichkeiten, wodurch vieles in Unordnung komme und in Ruin gerathe, es sey daher die Huͤlfe der ersten Tochter nicht nur jetzt absolut nothwendig, sondern auch durch vernuͤnftige Vorstellung und Bitte von der vornehmen Herrschaft richtig und wohl zu erhalten. Er gab dann an, wie die nothwendige Vorstellung an die Herrschaft fuͤglich in einem Schreiben zu verfassen sey, und an die Tochter koͤnne sie schreiben, wie es ihr Herz verlange. Gesagt, gethan; es gieng.
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