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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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kunde beruht also auf der aus der Magie geschöpften Kenntniß dieser Gesetze von der Würkung der Geister aufeinander. Hieraus entsprangen die Geisterbeschwörungen und Bannungen, Zauberkaraktere, Amuletten, und dergleichen, wodurch man die Seelenkrankheit, oder ihr Leiden von den andern Geistern zu heben suchte. Dieses System beruhte also auf dem Mangel an Einsicht der Verbindung zwischen Seele und Körper, wie auch auf dem Mangel an einer guten Psychologie überhaupt.

2) Die Materialisten halten die Seele für kein für sich bestehendes, vom Körper unabhängiges Wesen, sondern blos für eine Modifikation des Körpers selbst. Sie suchen daher alle ihre Veränderungen aus den Veränderungen des Körpers zu erklären. Die Seelenarzeneikunde macht also in diesem Systeme keine von der Körperarzeneikunde verschiedne Wissenschaft aus.

3) Die Dualisten nehmen an, daß Seele und Körper zwar miteinander verknüpft seyn, aber doch auch ohne einander bestehen können, und daß außer den Veränderungen, die sie wechselsweise ineinander hervorbringen, sie auch ihren eignen Würkungskreis in sich selber haben.

Nur nach diesem Systeme ist sowohl Seelenkrankheits- als Seelenarzeneikunde möglich. Seele und Körper stehen in genauer Verbindung miteinander; die Veränderungen der Seele veranlassen


kunde beruht also auf der aus der Magie geschoͤpften Kenntniß dieser Gesetze von der Wuͤrkung der Geister aufeinander. Hieraus entsprangen die Geisterbeschwoͤrungen und Bannungen, Zauberkaraktere, Amuletten, und dergleichen, wodurch man die Seelenkrankheit, oder ihr Leiden von den andern Geistern zu heben suchte. Dieses System beruhte also auf dem Mangel an Einsicht der Verbindung zwischen Seele und Koͤrper, wie auch auf dem Mangel an einer guten Psychologie uͤberhaupt.

2) Die Materialisten halten die Seele fuͤr kein fuͤr sich bestehendes, vom Koͤrper unabhaͤngiges Wesen, sondern blos fuͤr eine Modifikation des Koͤrpers selbst. Sie suchen daher alle ihre Veraͤnderungen aus den Veraͤnderungen des Koͤrpers zu erklaͤren. Die Seelenarzeneikunde macht also in diesem Systeme keine von der Koͤrperarzeneikunde verschiedne Wissenschaft aus.

3) Die Dualisten nehmen an, daß Seele und Koͤrper zwar miteinander verknuͤpft seyn, aber doch auch ohne einander bestehen koͤnnen, und daß außer den Veraͤnderungen, die sie wechselsweise ineinander hervorbringen, sie auch ihren eignen Wuͤrkungskreis in sich selber haben.

Nur nach diesem Systeme ist sowohl Seelenkrankheits- als Seelenarzeneikunde moͤglich. Seele und Koͤrper stehen in genauer Verbindung miteinander; die Veraͤnderungen der Seele veranlassen

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[7/0009] kunde beruht also auf der aus der Magie geschoͤpften Kenntniß dieser Gesetze von der Wuͤrkung der Geister aufeinander. Hieraus entsprangen die Geisterbeschwoͤrungen und Bannungen, Zauberkaraktere, Amuletten, und dergleichen, wodurch man die Seelenkrankheit, oder ihr Leiden von den andern Geistern zu heben suchte. Dieses System beruhte also auf dem Mangel an Einsicht der Verbindung zwischen Seele und Koͤrper, wie auch auf dem Mangel an einer guten Psychologie uͤberhaupt. 2) Die Materialisten halten die Seele fuͤr kein fuͤr sich bestehendes, vom Koͤrper unabhaͤngiges Wesen, sondern blos fuͤr eine Modifikation des Koͤrpers selbst. Sie suchen daher alle ihre Veraͤnderungen aus den Veraͤnderungen des Koͤrpers zu erklaͤren. Die Seelenarzeneikunde macht also in diesem Systeme keine von der Koͤrperarzeneikunde verschiedne Wissenschaft aus. 3) Die Dualisten nehmen an, daß Seele und Koͤrper zwar miteinander verknuͤpft seyn, aber doch auch ohne einander bestehen koͤnnen, und daß außer den Veraͤnderungen, die sie wechselsweise ineinander hervorbringen, sie auch ihren eignen Wuͤrkungskreis in sich selber haben. Nur nach diesem Systeme ist sowohl Seelenkrankheits- als Seelenarzeneikunde moͤglich. Seele und Koͤrper stehen in genauer Verbindung miteinander; die Veraͤnderungen der Seele veranlassen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/9>, abgerufen am 23.04.2024.