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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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etwas nachholen, das meinen Aufsatz im 3ten Stück des achten Bandes Nr. 1. anbetrifft.

Jch weiß, daß es manchem, der die Folgen aus ihren entferntesten Gründen herzuleiten nicht gewohnt ist, sehr paradox vorkommen wird, daß ich das Unvermögen zum Sprechen bei einem Manne, der, nach einer Jahreszeit völliger Lähmung an den Sprachwerkzeugen, wiederhergestellt wurde, aus einer Verlernung der Artikulation herleite. Wer den Präsident dau Brosses und den Monbode gelesen, und daraus die große Kunst der Artikulation sich bekannt gemacht hat, wird hier gar keine Schwierigkeit finden. Der letzte Verfasser besonders, fährt, nachdem er gezeigt hat, wie viel Zeit und Uebung zur Erlangung der Fertigkeit in der Artikulation nöthig ist, folgendermaßen fort.

"Und hier können wir bemerken, daß es ein sehr falscher Schluß ist, wenn man aus der Leichtigkeit eine Sache zu thun, folgert, daß sie eine natürliche Würkung sey. Denn was thun wir wohl leichter und fertiger, als reden? und doch, sehn wir, ist es eine Kunst, die nicht ohne die größte Arbeit und Schwierigkeit, beides auf Seiten des Lehrers und Schülers zu lehren; noch durch Nachahmung, ohne beständige Uebung von unsrer Kindheit an, zu lernen ist. Denn sie ist nicht gleich andern Künsten als Tanzen und Singen, dadurch zu lernen, daß man sie eine oder zwei Stunden des Tages, wenige Jahre, oder vielleicht nur einige Monate lang treibt;


etwas nachholen, das meinen Aufsatz im 3ten Stuͤck des achten Bandes Nr. 1. anbetrifft.

Jch weiß, daß es manchem, der die Folgen aus ihren entferntesten Gruͤnden herzuleiten nicht gewohnt ist, sehr paradox vorkommen wird, daß ich das Unvermoͤgen zum Sprechen bei einem Manne, der, nach einer Jahreszeit voͤlliger Laͤhmung an den Sprachwerkzeugen, wiederhergestellt wurde, aus einer Verlernung der Artikulation herleite. Wer den Praͤsident dû Brosses und den Monbode gelesen, und daraus die große Kunst der Artikulation sich bekannt gemacht hat, wird hier gar keine Schwierigkeit finden. Der letzte Verfasser besonders, faͤhrt, nachdem er gezeigt hat, wie viel Zeit und Uebung zur Erlangung der Fertigkeit in der Artikulation noͤthig ist, folgendermaßen fort.

»Und hier koͤnnen wir bemerken, daß es ein sehr falscher Schluß ist, wenn man aus der Leichtigkeit eine Sache zu thun, folgert, daß sie eine natuͤrliche Wuͤrkung sey. Denn was thun wir wohl leichter und fertiger, als reden? und doch, sehn wir, ist es eine Kunst, die nicht ohne die groͤßte Arbeit und Schwierigkeit, beides auf Seiten des Lehrers und Schuͤlers zu lehren; noch durch Nachahmung, ohne bestaͤndige Uebung von unsrer Kindheit an, zu lernen ist. Denn sie ist nicht gleich andern Kuͤnsten als Tanzen und Singen, dadurch zu lernen, daß man sie eine oder zwei Stunden des Tages, wenige Jahre, oder vielleicht nur einige Monate lang treibt;

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[86/0088] etwas nachholen, das meinen Aufsatz im 3ten Stuͤck des achten Bandes Nr. 1. anbetrifft. Jch weiß, daß es manchem, der die Folgen aus ihren entferntesten Gruͤnden herzuleiten nicht gewohnt ist, sehr paradox vorkommen wird, daß ich das Unvermoͤgen zum Sprechen bei einem Manne, der, nach einer Jahreszeit voͤlliger Laͤhmung an den Sprachwerkzeugen, wiederhergestellt wurde, aus einer Verlernung der Artikulation herleite. Wer den Praͤsident dû Brosses und den Monbode gelesen, und daraus die große Kunst der Artikulation sich bekannt gemacht hat, wird hier gar keine Schwierigkeit finden. Der letzte Verfasser besonders, faͤhrt, nachdem er gezeigt hat, wie viel Zeit und Uebung zur Erlangung der Fertigkeit in der Artikulation noͤthig ist, folgendermaßen fort. »Und hier koͤnnen wir bemerken, daß es ein sehr falscher Schluß ist, wenn man aus der Leichtigkeit eine Sache zu thun, folgert, daß sie eine natuͤrliche Wuͤrkung sey. Denn was thun wir wohl leichter und fertiger, als reden? und doch, sehn wir, ist es eine Kunst, die nicht ohne die groͤßte Arbeit und Schwierigkeit, beides auf Seiten des Lehrers und Schuͤlers zu lehren; noch durch Nachahmung, ohne bestaͤndige Uebung von unsrer Kindheit an, zu lernen ist. Denn sie ist nicht gleich andern Kuͤnsten als Tanzen und Singen, dadurch zu lernen, daß man sie eine oder zwei Stunden des Tages, wenige Jahre, oder vielleicht nur einige Monate lang treibt;

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/88>, abgerufen am 28.04.2024.