Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Jch glaube aber, dieses ließe sich folgendermaßen erklären. Der gemeine oder auch prophetische Traum wird vom Wachen, wie ich schon gezeigt habe, hauptsächlich dadurch unterschieden, daß in jenem eine mindere Selbstthätigkeit in Verknüpfung der Vorstellungen als in diesem anzutreffen ist. Jm Wachen ist diese Verknüpfung größtentheils zweckmäßig und eine Würkung des freien Willens. Jm Traume hingegen ist sie größtentheils mecha-
Jch glaube aber, dieses ließe sich folgendermaßen erklaͤren. Der gemeine oder auch prophetische Traum wird vom Wachen, wie ich schon gezeigt habe, hauptsaͤchlich dadurch unterschieden, daß in jenem eine mindere Selbstthaͤtigkeit in Verknuͤpfung der Vorstellungen als in diesem anzutreffen ist. Jm Wachen ist diese Verknuͤpfung groͤßtentheils zweckmaͤßig und eine Wuͤrkung des freien Willens. Jm Traume hingegen ist sie groͤßtentheils mecha- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0085" n="83"/><lb/> ihm Untersuchungen von dieser Art sind, fuͤhrt (4ten Bandes zweites Stuͤck. Nr. 5.) von sich selbst ein aͤhnliches Beispiel an. Es traͤumte ihm nehmlich (in seinen Schuljahren), als befaͤnde er sich in der lateinischen Klasse, wo der Lehrer seinen Schuͤlern die Auslegung einer lateinischen Phrase aufgab. Hr. <persName ref="#ref0007"><note type="editorial">Goens, Rijklof Michael van</note>Goens</persName> konnte den Sinn dieser Phrase nicht finden, der Lehrer wandte sich zu den auf jenen in der Reihe folgenden Schuͤler, dieser setzte sogleich den Sinn der Phrase deutlich auseinander, welche Auseinandersetzung dem Hrn. <persName ref="#ref0007"><note type="editorial">Goens, Rijklof Michael van</note>Goens</persName> so einfach vorkam, daß er sich daruͤber ungemein wunderte, wie er darauf nicht habe gerathen koͤnnen. Er wirft also die Frage auf: wie es moͤglich sey, <hi rendition="#b">daß die Seele, welche mit der groͤßten Anstrengung vergebens etwas sucht, in einer Minute, oder Secunde, die Seele werden kann, die eben dieselbe Sache sehr gut weiß, indem sie sich zugleich einbildet, es selbst nicht zu wissen, sondern es einen andern sagen zu hoͤren?</hi></p> <p>Jch glaube aber, dieses ließe sich folgendermaßen erklaͤren. Der gemeine oder auch prophetische Traum wird vom Wachen, wie ich schon gezeigt habe, hauptsaͤchlich dadurch unterschieden, daß in jenem eine mindere Selbstthaͤtigkeit in Verknuͤpfung der Vorstellungen als in diesem anzutreffen ist. Jm Wachen ist diese Verknuͤpfung groͤßtentheils <hi rendition="#b">zweckmaͤßig</hi> und eine Wuͤrkung des <hi rendition="#b">freien Willens.</hi> Jm Traume hingegen ist sie groͤßtentheils <hi rendition="#b">mecha-<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0085]
ihm Untersuchungen von dieser Art sind, fuͤhrt (4ten Bandes zweites Stuͤck. Nr. 5.) von sich selbst ein aͤhnliches Beispiel an. Es traͤumte ihm nehmlich (in seinen Schuljahren), als befaͤnde er sich in der lateinischen Klasse, wo der Lehrer seinen Schuͤlern die Auslegung einer lateinischen Phrase aufgab. Hr. Goens konnte den Sinn dieser Phrase nicht finden, der Lehrer wandte sich zu den auf jenen in der Reihe folgenden Schuͤler, dieser setzte sogleich den Sinn der Phrase deutlich auseinander, welche Auseinandersetzung dem Hrn. Goens so einfach vorkam, daß er sich daruͤber ungemein wunderte, wie er darauf nicht habe gerathen koͤnnen. Er wirft also die Frage auf: wie es moͤglich sey, daß die Seele, welche mit der groͤßten Anstrengung vergebens etwas sucht, in einer Minute, oder Secunde, die Seele werden kann, die eben dieselbe Sache sehr gut weiß, indem sie sich zugleich einbildet, es selbst nicht zu wissen, sondern es einen andern sagen zu hoͤren?
Jch glaube aber, dieses ließe sich folgendermaßen erklaͤren. Der gemeine oder auch prophetische Traum wird vom Wachen, wie ich schon gezeigt habe, hauptsaͤchlich dadurch unterschieden, daß in jenem eine mindere Selbstthaͤtigkeit in Verknuͤpfung der Vorstellungen als in diesem anzutreffen ist. Jm Wachen ist diese Verknuͤpfung groͤßtentheils zweckmaͤßig und eine Wuͤrkung des freien Willens. Jm Traume hingegen ist sie groͤßtentheils mecha-
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