Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Er schlief bis spät auf den Tag. So bald er aufgestanden war, schickte der Oberrabbiner nach ihm, und ließ ihn zu sich bitten. So bald er erschien, fragte ihn jener, wie er mit seinem Logis zufrieden sey. Dieser konnte keine Worte finden, seine Empfindung hierüber auszudrücken, und rief in einer Extase: "Jch habe in einem Bette geschlafen!" Der Oberrabbiner freute sich ungemein darüber, schickte darauf nach dem Schulkantor; so bald dieser kam, sagte er zu ihm "H... gehn Sie zu dem Kaufmann .... und nehmen Sie für H. B. J. für meine Rechnung Zeug zu einem Kleide." Darauf wandte er sich zu B. J. und fragte ihn: was beliebt Jhnen für ein Zeug? Dieser, durchdrungen von der Empfindung der Dankbarkeit und Hochachtung für diesen vortreflichen Mann, konnte hierauf gar nichts antworten. Ein Thränenstrom der ihm die Wangen herabfloß, diente statt aller Antwort. Der Oberrabbiner ließ ihm auch neue Wäsche machen. Jn zweien Tagen war alles fertig. B. J. zog reine Wäsche und sein neues Kleid an, und gieng so ausstaffirt zum Oberrabbiner; er wollte ihm seine Dankbarkeit bezeugen, konnte aber kaum
Er schlief bis spaͤt auf den Tag. So bald er aufgestanden war, schickte der Oberrabbiner nach ihm, und ließ ihn zu sich bitten. So bald er erschien, fragte ihn jener, wie er mit seinem Logis zufrieden sey. Dieser konnte keine Worte finden, seine Empfindung hieruͤber auszudruͤcken, und rief in einer Extase: »Jch habe in einem Bette geschlafen!« Der Oberrabbiner freute sich ungemein daruͤber, schickte darauf nach dem Schulkantor; so bald dieser kam, sagte er zu ihm »H... gehn Sie zu dem Kaufmann .... und nehmen Sie fuͤr H. B. J. fuͤr meine Rechnung Zeug zu einem Kleide.« Darauf wandte er sich zu B. J. und fragte ihn: was beliebt Jhnen fuͤr ein Zeug? Dieser, durchdrungen von der Empfindung der Dankbarkeit und Hochachtung fuͤr diesen vortreflichen Mann, konnte hierauf gar nichts antworten. Ein Thraͤnenstrom der ihm die Wangen herabfloß, diente statt aller Antwort. Der Oberrabbiner ließ ihm auch neue Waͤsche machen. Jn zweien Tagen war alles fertig. B. J. zog reine Waͤsche und sein neues Kleid an, und gieng so ausstaffirt zum Oberrabbiner; er wollte ihm seine Dankbarkeit bezeugen, konnte aber kaum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="61"/><lb/> als er sich zu Bette legte, und seine, seit einem halben Jahr strapazierten, ja beinahe zerbrochnen Glieder, in einem weichen Bette ihre vorige Staͤrke wieder erlangen fuͤhlte.</p> <p>Er schlief bis spaͤt auf den Tag. So bald er aufgestanden war, schickte der Oberrabbiner nach ihm, und ließ ihn zu sich bitten. So bald er erschien, fragte ihn jener, wie er mit seinem Logis zufrieden sey. Dieser konnte keine Worte finden, seine Empfindung hieruͤber auszudruͤcken, und rief in einer Extase: »Jch habe in einem Bette geschlafen!« Der Oberrabbiner freute sich ungemein daruͤber, schickte darauf nach dem Schulkantor; so bald dieser kam, sagte er zu ihm »H... gehn Sie zu dem Kaufmann .... und nehmen Sie fuͤr H. <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> fuͤr meine Rechnung Zeug zu einem Kleide.«</p> <p>Darauf wandte er sich zu <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> und fragte ihn: was beliebt Jhnen fuͤr ein Zeug? Dieser, durchdrungen von der Empfindung der Dankbarkeit und Hochachtung fuͤr diesen vortreflichen Mann, konnte hierauf gar nichts antworten. Ein Thraͤnenstrom der ihm die Wangen herabfloß, diente statt aller Antwort.</p> <p>Der Oberrabbiner ließ ihm auch neue Waͤsche machen. Jn zweien Tagen war alles fertig. <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> zog reine Waͤsche und sein neues Kleid an, und gieng so ausstaffirt zum Oberrabbiner; er wollte ihm seine Dankbarkeit bezeugen, konnte aber kaum<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0063]
als er sich zu Bette legte, und seine, seit einem halben Jahr strapazierten, ja beinahe zerbrochnen Glieder, in einem weichen Bette ihre vorige Staͤrke wieder erlangen fuͤhlte.
Er schlief bis spaͤt auf den Tag. So bald er aufgestanden war, schickte der Oberrabbiner nach ihm, und ließ ihn zu sich bitten. So bald er erschien, fragte ihn jener, wie er mit seinem Logis zufrieden sey. Dieser konnte keine Worte finden, seine Empfindung hieruͤber auszudruͤcken, und rief in einer Extase: »Jch habe in einem Bette geschlafen!« Der Oberrabbiner freute sich ungemein daruͤber, schickte darauf nach dem Schulkantor; so bald dieser kam, sagte er zu ihm »H... gehn Sie zu dem Kaufmann .... und nehmen Sie fuͤr H. B. J. fuͤr meine Rechnung Zeug zu einem Kleide.«
Darauf wandte er sich zu B. J. und fragte ihn: was beliebt Jhnen fuͤr ein Zeug? Dieser, durchdrungen von der Empfindung der Dankbarkeit und Hochachtung fuͤr diesen vortreflichen Mann, konnte hierauf gar nichts antworten. Ein Thraͤnenstrom der ihm die Wangen herabfloß, diente statt aller Antwort.
Der Oberrabbiner ließ ihm auch neue Waͤsche machen. Jn zweien Tagen war alles fertig. B. J. zog reine Waͤsche und sein neues Kleid an, und gieng so ausstaffirt zum Oberrabbiner; er wollte ihm seine Dankbarkeit bezeugen, konnte aber kaum
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