Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Die Verweigerung der Erlaubniß in B. zu bleiben, war für Besonders schmerzte ihn das Betragen des Aufsehers dieses Armenhauses, der auf Befehl seiner Obern, auf seine schleunige Abreise drang, und nicht eher nachließ, bis er ihn vor dem Thore sahe.
Es war ein Sonntag, viele Menschen giengen wie gewöhnlich vor dem Thore spatzieren. Die mehrsten kehrten sich an den winselnden Wurm nicht; einigen mitleidigen Seelen aber fiel dieser Anblick sehr auf; sie fragten ihn nach der Ursache seines Wehklagens; er antwortete ihnen; aber sie konnten ihn, nicht nur wegen Mangel seiner natürlichen Sprache, sondern auch wegen häufiger Unterbrechung durch Weinen und Schluchzen nicht verstehn. Er war so alterirt, daß er in ein hitziges Fieber gerieth. Die Soldaten, die am Thore die Wache hielten, meldeten dieses in dem Armenhause.
Die Verweigerung der Erlaubniß in B. zu bleiben, war fuͤr Besonders schmerzte ihn das Betragen des Aufsehers dieses Armenhauses, der auf Befehl seiner Obern, auf seine schleunige Abreise drang, und nicht eher nachließ, bis er ihn vor dem Thore sahe.
Es war ein Sonntag, viele Menschen giengen wie gewoͤhnlich vor dem Thore spatzieren. Die mehrsten kehrten sich an den winselnden Wurm nicht; einigen mitleidigen Seelen aber fiel dieser Anblick sehr auf; sie fragten ihn nach der Ursache seines Wehklagens; er antwortete ihnen; aber sie konnten ihn, nicht nur wegen Mangel seiner natuͤrlichen Sprache, sondern auch wegen haͤufiger Unterbrechung durch Weinen und Schluchzen nicht verstehn. Er war so alterirt, daß er in ein hitziges Fieber gerieth. Die Soldaten, die am Thore die Wache hielten, meldeten dieses in dem Armenhause. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0055" n="53"/><lb/> ausgestandnem Hunger auf einmal an einen wohleingerichteten Tisch versetzt wird; der also mit heftiger Begierde zugreifen, und sich bis zum Ueberladen saͤttigen wird.</p> <p>Die Verweigerung der Erlaubniß in B. zu bleiben, war fuͤr <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> ein Donnerschlag. Das letzte Ziel aller seiner Hoffnungen, seiner Wuͤnsche, wurde ihm auf einmal, da er demselben so nahe war, verruͤckt. Er befand sich in der Lage des Tantalus, und wußte sich nicht zu helfen.</p> <p>Besonders schmerzte ihn das Betragen des Aufsehers dieses Armenhauses, der auf Befehl seiner Obern, auf seine schleunige Abreise drang, und nicht eher nachließ, bis er ihn vor dem Thore sahe.</p> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> warf sich vor dem Thore auf die Erde nieder, und fing an bitterlich zu weinen.</p> <p>Es war ein Sonntag, viele Menschen giengen wie gewoͤhnlich vor dem Thore spatzieren. Die mehrsten kehrten sich an den winselnden Wurm nicht; einigen mitleidigen Seelen aber fiel dieser Anblick sehr auf; sie fragten ihn nach der Ursache seines Wehklagens; er antwortete ihnen; aber sie konnten ihn, nicht nur wegen Mangel seiner natuͤrlichen Sprache, sondern auch wegen haͤufiger Unterbrechung durch Weinen und Schluchzen nicht verstehn.</p> <p>Er war so alterirt, daß er in ein hitziges Fieber gerieth. Die Soldaten, die am Thore die Wache hielten, meldeten dieses in dem Armenhause.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0055]
ausgestandnem Hunger auf einmal an einen wohleingerichteten Tisch versetzt wird; der also mit heftiger Begierde zugreifen, und sich bis zum Ueberladen saͤttigen wird.
Die Verweigerung der Erlaubniß in B. zu bleiben, war fuͤr B. J. ein Donnerschlag. Das letzte Ziel aller seiner Hoffnungen, seiner Wuͤnsche, wurde ihm auf einmal, da er demselben so nahe war, verruͤckt. Er befand sich in der Lage des Tantalus, und wußte sich nicht zu helfen.
Besonders schmerzte ihn das Betragen des Aufsehers dieses Armenhauses, der auf Befehl seiner Obern, auf seine schleunige Abreise drang, und nicht eher nachließ, bis er ihn vor dem Thore sahe.
B. J. warf sich vor dem Thore auf die Erde nieder, und fing an bitterlich zu weinen.
Es war ein Sonntag, viele Menschen giengen wie gewoͤhnlich vor dem Thore spatzieren. Die mehrsten kehrten sich an den winselnden Wurm nicht; einigen mitleidigen Seelen aber fiel dieser Anblick sehr auf; sie fragten ihn nach der Ursache seines Wehklagens; er antwortete ihnen; aber sie konnten ihn, nicht nur wegen Mangel seiner natuͤrlichen Sprache, sondern auch wegen haͤufiger Unterbrechung durch Weinen und Schluchzen nicht verstehn.
Er war so alterirt, daß er in ein hitziges Fieber gerieth. Die Soldaten, die am Thore die Wache hielten, meldeten dieses in dem Armenhause.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/55>, abgerufen am 28.07.2024. |