Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.Endlich gegen Abend kamen die jüdischen Aeltesten. Es wurde ein jeder vorgerufen und über sein Gesuch gefragt. Die Reihe kam an B. J. Dieser sagte ganz offenherzig, er wünsche in B. zu bleiben, daselbst Medizin zu studieren u.s.w. Die Aeltesten schlugen sein Gesuch gerade zu ab, gaben ihm seinen Zehrpfennig und giengen fort. Die Ursache dieses Betragens gegen ihn besonders war keine andere als diese. Der Rabbiner, von dem ich vorher gesprochen habe, war ein eifriger Orthodox. Nachdem er also des B. J. Gesinnungen und Vorhaben ausgeforscht hatte, gieng er in die Stadt, benachrichtigte die Aeltesten der Gemeinde von der ketzerischen Denkungsart des B. J. indem er den More Newochim kommentirt neu herausgeben wolle, und sein Vorhaben nicht sowohl sey Medizin zu studieren und als Profession zu treiben, sondern hauptsächlich, sich in Wissenschaften überhaupt zu vertiefen und seine Erkenntniß zu erweitern. Dies Letztere sehen die orthodoxen Juden als etwas, der Religion und den guten Sitten Gefährliches an, besonders glauben sie dieses von den polnischen Rabbinern, die durch einen glücklichen Zufall aus der Sklaverei des Aberglaubens befreiet, auf einmal das Licht der Vernunft erblicken, und sich von jenen Fesseln losmachen. Dieses ist auch zum Theil wahr. Sie sind mit einem Menschen zu vergleichen, der nach lange Endlich gegen Abend kamen die juͤdischen Aeltesten. Es wurde ein jeder vorgerufen und uͤber sein Gesuch gefragt. Die Reihe kam an B. J. Dieser sagte ganz offenherzig, er wuͤnsche in B. zu bleiben, daselbst Medizin zu studieren u.s.w. Die Aeltesten schlugen sein Gesuch gerade zu ab, gaben ihm seinen Zehrpfennig und giengen fort. Die Ursache dieses Betragens gegen ihn besonders war keine andere als diese. Der Rabbiner, von dem ich vorher gesprochen habe, war ein eifriger Orthodox. Nachdem er also des B. J. Gesinnungen und Vorhaben ausgeforscht hatte, gieng er in die Stadt, benachrichtigte die Aeltesten der Gemeinde von der ketzerischen Denkungsart des B. J. indem er den More Newochim kommentirt neu herausgeben wolle, und sein Vorhaben nicht sowohl sey Medizin zu studieren und als Profession zu treiben, sondern hauptsaͤchlich, sich in Wissenschaften uͤberhaupt zu vertiefen und seine Erkenntniß zu erweitern. Dies Letztere sehen die orthodoxen Juden als etwas, der Religion und den guten Sitten Gefaͤhrliches an, besonders glauben sie dieses von den polnischen Rabbinern, die durch einen gluͤcklichen Zufall aus der Sklaverei des Aberglaubens befreiet, auf einmal das Licht der Vernunft erblicken, und sich von jenen Fesseln losmachen. Dieses ist auch zum Theil wahr. Sie sind mit einem Menschen zu vergleichen, der nach lange <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0054" n="52"/><lb/> <p>Endlich gegen Abend kamen die juͤdischen Aeltesten. Es wurde ein jeder vorgerufen und uͤber sein Gesuch gefragt. Die Reihe kam an <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> Dieser sagte ganz offenherzig, er wuͤnsche in B. zu bleiben, daselbst Medizin zu studieren u.s.w.</p> <p>Die Aeltesten schlugen sein Gesuch gerade zu ab, gaben ihm seinen Zehrpfennig und giengen fort. Die Ursache dieses Betragens gegen ihn besonders war keine andere als diese.</p> <p>Der Rabbiner, von dem ich vorher gesprochen habe, war ein eifriger Orthodox. Nachdem er also des <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> Gesinnungen und Vorhaben ausgeforscht hatte, gieng er in die Stadt, benachrichtigte die Aeltesten der Gemeinde von der ketzerischen Denkungsart des <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> indem er den More Newochim kommentirt neu herausgeben wolle, und sein Vorhaben nicht sowohl sey Medizin zu studieren und als Profession zu treiben, sondern hauptsaͤchlich, sich in Wissenschaften uͤberhaupt zu vertiefen und seine Erkenntniß zu erweitern.</p> <p>Dies Letztere sehen die orthodoxen Juden als etwas, der Religion und den guten Sitten Gefaͤhrliches an, besonders glauben sie dieses von den polnischen Rabbinern, die durch einen gluͤcklichen Zufall aus der Sklaverei des Aberglaubens befreiet, auf einmal das Licht der Vernunft erblicken, und sich von jenen Fesseln losmachen.</p> <p>Dieses ist auch zum Theil wahr. Sie sind mit einem Menschen zu vergleichen, der nach lange<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0054]
Endlich gegen Abend kamen die juͤdischen Aeltesten. Es wurde ein jeder vorgerufen und uͤber sein Gesuch gefragt. Die Reihe kam an B. J. Dieser sagte ganz offenherzig, er wuͤnsche in B. zu bleiben, daselbst Medizin zu studieren u.s.w.
Die Aeltesten schlugen sein Gesuch gerade zu ab, gaben ihm seinen Zehrpfennig und giengen fort. Die Ursache dieses Betragens gegen ihn besonders war keine andere als diese.
Der Rabbiner, von dem ich vorher gesprochen habe, war ein eifriger Orthodox. Nachdem er also des B. J. Gesinnungen und Vorhaben ausgeforscht hatte, gieng er in die Stadt, benachrichtigte die Aeltesten der Gemeinde von der ketzerischen Denkungsart des B. J. indem er den More Newochim kommentirt neu herausgeben wolle, und sein Vorhaben nicht sowohl sey Medizin zu studieren und als Profession zu treiben, sondern hauptsaͤchlich, sich in Wissenschaften uͤberhaupt zu vertiefen und seine Erkenntniß zu erweitern.
Dies Letztere sehen die orthodoxen Juden als etwas, der Religion und den guten Sitten Gefaͤhrliches an, besonders glauben sie dieses von den polnischen Rabbinern, die durch einen gluͤcklichen Zufall aus der Sklaverei des Aberglaubens befreiet, auf einmal das Licht der Vernunft erblicken, und sich von jenen Fesseln losmachen.
Dieses ist auch zum Theil wahr. Sie sind mit einem Menschen zu vergleichen, der nach lange
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