Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.Jch habe sie erreicht meine Muse; aber Psyche war für diesesmal das Mädchen nicht, das sie sich zu ihrer Gespielin ausersehen; nur des delischen Jünglings bärtiger Sohn war es, dessen Lehren sie jetzt ihr Ohr lieh. Zu seinen Füßen wog sie die Kräfte der menschlichen Natur, spähte mit bewafneter Hand in ihrem Jnnern die Wunder ihres Baues, und maß in endlosen Zahlen die Weite des Erdkreises. -- Doch jetzt kehrt sie wieder zu der Verlassenen, um schwesterlich und fester als je mit ihr vereint den kommenden Lenz zu durchleben, daß sie ihr ganz ihr Herz aufschließe. So habe ich dann nicht gesäumt, vor einigen Tagen, da die Holde sich zu mir herabließ, und bei wiedererlangter Muße, mich ihrer Eingebung würdigte, sogleich mein Versprechen zu erfüllen. Jch habe also hiemit die Ehre, Jhnen, hochzuehrender Herr Professor, einen Aufsatz zu überreichen, der seinem Jnhalte nach, zwar in jene vortrefliche Zeitschrift gehört, die unter Jhrer bildenden Hand Leben und Wachsthum erhält, ob er aber auch würdig sey einen Platz darin einzunehmen, ob er wagen dürfe sich neben Werke von Männern zu stellen, welche darin leuchten, das überlasse ich ihrem Ausspruche. -- Es ist dieses die erste Frucht meiner Bemühungen mit der ich mich in die Welt hinauswage. Jch hoffe auf Jhre gütige Schonung, und im Fall ich das Glück haben sollte einiger Aufmerk Jch habe sie erreicht meine Muse; aber Psyche war fuͤr diesesmal das Maͤdchen nicht, das sie sich zu ihrer Gespielin ausersehen; nur des delischen Juͤnglings baͤrtiger Sohn war es, dessen Lehren sie jetzt ihr Ohr lieh. Zu seinen Fuͤßen wog sie die Kraͤfte der menschlichen Natur, spaͤhte mit bewafneter Hand in ihrem Jnnern die Wunder ihres Baues, und maß in endlosen Zahlen die Weite des Erdkreises. — Doch jetzt kehrt sie wieder zu der Verlassenen, um schwesterlich und fester als je mit ihr vereint den kommenden Lenz zu durchleben, daß sie ihr ganz ihr Herz aufschließe. So habe ich dann nicht gesaͤumt, vor einigen Tagen, da die Holde sich zu mir herabließ, und bei wiedererlangter Muße, mich ihrer Eingebung wuͤrdigte, sogleich mein Versprechen zu erfuͤllen. Jch habe also hiemit die Ehre, Jhnen, hochzuehrender Herr Professor, einen Aufsatz zu uͤberreichen, der seinem Jnhalte nach, zwar in jene vortrefliche Zeitschrift gehoͤrt, die unter Jhrer bildenden Hand Leben und Wachsthum erhaͤlt, ob er aber auch wuͤrdig sey einen Platz darin einzunehmen, ob er wagen duͤrfe sich neben Werke von Maͤnnern zu stellen, welche darin leuchten, das uͤberlasse ich ihrem Ausspruche. — Es ist dieses die erste Frucht meiner Bemuͤhungen mit der ich mich in die Welt hinauswage. Jch hoffe auf Jhre guͤtige Schonung, und im Fall ich das Gluͤck haben sollte einiger Aufmerk <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <floatingText> <body> <pb facs="#f0112" n="110"/><lb/> <p>Jch habe sie erreicht meine Muse; aber Psyche war fuͤr diesesmal das Maͤdchen nicht, das sie sich zu ihrer Gespielin ausersehen; nur des delischen Juͤnglings baͤrtiger Sohn war es, dessen Lehren sie jetzt ihr Ohr lieh. Zu seinen Fuͤßen wog sie die Kraͤfte der menschlichen Natur, spaͤhte mit bewafneter Hand in ihrem Jnnern die Wunder ihres Baues, und maß in endlosen Zahlen die Weite des Erdkreises. — Doch jetzt kehrt sie wieder zu der Verlassenen, um schwesterlich und fester als je mit ihr vereint den kommenden Lenz zu durchleben, daß sie ihr ganz ihr Herz aufschließe.</p> <p>So habe ich dann nicht gesaͤumt, vor einigen Tagen, da die Holde sich zu mir herabließ, und bei wiedererlangter Muße, mich ihrer Eingebung wuͤrdigte, sogleich mein Versprechen zu erfuͤllen. Jch habe also hiemit die Ehre, Jhnen, hochzuehrender Herr Professor, einen Aufsatz zu uͤberreichen, der seinem Jnhalte nach, zwar in jene vortrefliche Zeitschrift gehoͤrt, die unter Jhrer bildenden Hand Leben und Wachsthum erhaͤlt, ob er aber auch wuͤrdig sey einen Platz darin einzunehmen, ob er wagen duͤrfe sich neben Werke von <hi rendition="#b">Maͤnnern </hi> zu stellen, welche darin leuchten, das uͤberlasse ich ihrem Ausspruche. — Es ist dieses die erste Frucht meiner Bemuͤhungen mit der ich mich in die Welt hinauswage. Jch hoffe auf Jhre guͤtige Schonung, und im Fall ich das Gluͤck haben sollte einiger Aufmerk<lb/></p> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0112]
Jch habe sie erreicht meine Muse; aber Psyche war fuͤr diesesmal das Maͤdchen nicht, das sie sich zu ihrer Gespielin ausersehen; nur des delischen Juͤnglings baͤrtiger Sohn war es, dessen Lehren sie jetzt ihr Ohr lieh. Zu seinen Fuͤßen wog sie die Kraͤfte der menschlichen Natur, spaͤhte mit bewafneter Hand in ihrem Jnnern die Wunder ihres Baues, und maß in endlosen Zahlen die Weite des Erdkreises. — Doch jetzt kehrt sie wieder zu der Verlassenen, um schwesterlich und fester als je mit ihr vereint den kommenden Lenz zu durchleben, daß sie ihr ganz ihr Herz aufschließe.
So habe ich dann nicht gesaͤumt, vor einigen Tagen, da die Holde sich zu mir herabließ, und bei wiedererlangter Muße, mich ihrer Eingebung wuͤrdigte, sogleich mein Versprechen zu erfuͤllen. Jch habe also hiemit die Ehre, Jhnen, hochzuehrender Herr Professor, einen Aufsatz zu uͤberreichen, der seinem Jnhalte nach, zwar in jene vortrefliche Zeitschrift gehoͤrt, die unter Jhrer bildenden Hand Leben und Wachsthum erhaͤlt, ob er aber auch wuͤrdig sey einen Platz darin einzunehmen, ob er wagen duͤrfe sich neben Werke von Maͤnnern zu stellen, welche darin leuchten, das uͤberlasse ich ihrem Ausspruche. — Es ist dieses die erste Frucht meiner Bemuͤhungen mit der ich mich in die Welt hinauswage. Jch hoffe auf Jhre guͤtige Schonung, und im Fall ich das Gluͤck haben sollte einiger Aufmerk
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/112>, abgerufen am 16.02.2025. |