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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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Man ist immer gewohnt, das Peitschen als eine Züchtigung moralischer Uebel zu betrachten, und nun fällt es schwer, es als ein medizinisches Mittel, oder als einen physischen Versuch anzusehen. Aus allzugroßer Empfindlichkeit sind wir weichlich und verzärtelt worden.

Jn mehreren Staaten werden die Hausdiebe, die man anderwärts am Leben straft, so vorsichtig gepeitscht, daß es keinen größern Eindruck machen kann, als wenn man ihnen mit einem sanften Zeuge über die Haut führe. Jch habe irgendwo ein Monument des Rousseau gesehen, welches ihn selbst vorstellt wie er ein Schild zerbricht, worauf nach der alten Methode, ein Schulmeister seinen Schüler brav durchpeitscht. Hat der Knabe blos seine Vokabeln vergessen, so billige ich freilich dieses Verfahren auch nicht; hat er aber seinen Mitschüler betrogen oder verrathen, warum sollte er nicht geprügelt werden? Pfui über eine solche Bestrafung, die den Zögling herabwürdigt, schrei't mit Jean Jaques das ganze Chor unsrer neumodischen Philosophen mit dem butterweichen Herzen, und dem steinharten Kopfe!

Trotz dem hat aber England so viele große Männer, so viele starke Geister und edle Herzen beiderlei Geschlechts hervorgebracht, die alle in ihren Schulen mehr als hundertmal mögen durchgeprügelt worden seyn! Eitelkeit der Eitelkeiten! Un-


Man ist immer gewohnt, das Peitschen als eine Zuͤchtigung moralischer Uebel zu betrachten, und nun faͤllt es schwer, es als ein medizinisches Mittel, oder als einen physischen Versuch anzusehen. Aus allzugroßer Empfindlichkeit sind wir weichlich und verzaͤrtelt worden.

Jn mehreren Staaten werden die Hausdiebe, die man anderwaͤrts am Leben straft, so vorsichtig gepeitscht, daß es keinen groͤßern Eindruck machen kann, als wenn man ihnen mit einem sanften Zeuge uͤber die Haut fuͤhre. Jch habe irgendwo ein Monument des Rousseau gesehen, welches ihn selbst vorstellt wie er ein Schild zerbricht, worauf nach der alten Methode, ein Schulmeister seinen Schuͤler brav durchpeitscht. Hat der Knabe blos seine Vokabeln vergessen, so billige ich freilich dieses Verfahren auch nicht; hat er aber seinen Mitschuͤler betrogen oder verrathen, warum sollte er nicht gepruͤgelt werden? Pfui uͤber eine solche Bestrafung, die den Zoͤgling herabwuͤrdigt, schrei't mit Jean Jaques das ganze Chor unsrer neumodischen Philosophen mit dem butterweichen Herzen, und dem steinharten Kopfe!

Trotz dem hat aber England so viele große Maͤnner, so viele starke Geister und edle Herzen beiderlei Geschlechts hervorgebracht, die alle in ihren Schulen mehr als hundertmal moͤgen durchgepruͤgelt worden seyn! Eitelkeit der Eitelkeiten! Un-

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[104/0104] Man ist immer gewohnt, das Peitschen als eine Zuͤchtigung moralischer Uebel zu betrachten, und nun faͤllt es schwer, es als ein medizinisches Mittel, oder als einen physischen Versuch anzusehen. Aus allzugroßer Empfindlichkeit sind wir weichlich und verzaͤrtelt worden. Jn mehreren Staaten werden die Hausdiebe, die man anderwaͤrts am Leben straft, so vorsichtig gepeitscht, daß es keinen groͤßern Eindruck machen kann, als wenn man ihnen mit einem sanften Zeuge uͤber die Haut fuͤhre. Jch habe irgendwo ein Monument des Rousseau gesehen, welches ihn selbst vorstellt wie er ein Schild zerbricht, worauf nach der alten Methode, ein Schulmeister seinen Schuͤler brav durchpeitscht. Hat der Knabe blos seine Vokabeln vergessen, so billige ich freilich dieses Verfahren auch nicht; hat er aber seinen Mitschuͤler betrogen oder verrathen, warum sollte er nicht gepruͤgelt werden? Pfui uͤber eine solche Bestrafung, die den Zoͤgling herabwuͤrdigt, schrei't mit Jean Jaques das ganze Chor unsrer neumodischen Philosophen mit dem butterweichen Herzen, und dem steinharten Kopfe! Trotz dem hat aber England so viele große Maͤnner, so viele starke Geister und edle Herzen beiderlei Geschlechts hervorgebracht, die alle in ihren Schulen mehr als hundertmal moͤgen durchgepruͤgelt worden seyn! Eitelkeit der Eitelkeiten! Un-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/104>, abgerufen am 25.11.2024.