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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

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und darin selbst einen kurzen Abriß seiner Geschichte, in Betreff seiner Religionsmeinungen, giebt.

"Ohngefähr im 30ten Jahre meines Alters bekam ich eine besondere Neigung in theologischen Schriften zu lesen, so wie mir solche zu Händen kamen, und fand dabei so vieles Vergnügen Predigten zu hören, daß ich auch alle Wochenpredigten besuchte. -- Die Festtage hielt ich allemal mit solcher Andacht, daß ich deswegen jedesmal des Tages vorher einen Fasttag hielt. Die Begierde mit den Predigern mich privatim zu unterreden, war so stark, daß ich die Befriedigung derselben mit vielem Gelde würde erkauft haben, wenn es hätte seyn können. -- Dieses währte eine lange Zeit, und ich befand mich sehr vergnügt dabei. Hierauf ward ich mit einigen Personen unter dem Namen der Pietisten bekannt, und bekam zu diesen Leuten eine solche unbeschreibliche Zuneigung, daß ich denselben zu Gefallen wohl hundert Meilen weit gereiset seyn würde. -- Jn dieser Zeit starb meine erste Frau, und wenn ich damals das Leben der Altväter in der Wüste zu lesen gehabt hätte, so würde ich denenselben alles nachgemacht haben. Wenn Musik zum Tanzen gefordert wurde, so spielte ich nicht mit, ob mir gleich mit der Verabschiedung gedrohet wurde, und hätte man nicht aus freiem Willen mit mir Nachsicht gehabt, so hätte ich dieselbe mit Freuden angenommen. Jn dieser Zeit aber fügte es sich, daß


und darin selbst einen kurzen Abriß seiner Geschichte, in Betreff seiner Religionsmeinungen, giebt.

»Ohngefaͤhr im 30ten Jahre meines Alters bekam ich eine besondere Neigung in theologischen Schriften zu lesen, so wie mir solche zu Haͤnden kamen, und fand dabei so vieles Vergnuͤgen Predigten zu hoͤren, daß ich auch alle Wochenpredigten besuchte. — Die Festtage hielt ich allemal mit solcher Andacht, daß ich deswegen jedesmal des Tages vorher einen Fasttag hielt. Die Begierde mit den Predigern mich privatim zu unterreden, war so stark, daß ich die Befriedigung derselben mit vielem Gelde wuͤrde erkauft haben, wenn es haͤtte seyn koͤnnen. — Dieses waͤhrte eine lange Zeit, und ich befand mich sehr vergnuͤgt dabei. Hierauf ward ich mit einigen Personen unter dem Namen der Pietisten bekannt, und bekam zu diesen Leuten eine solche unbeschreibliche Zuneigung, daß ich denselben zu Gefallen wohl hundert Meilen weit gereiset seyn wuͤrde. — Jn dieser Zeit starb meine erste Frau, und wenn ich damals das Leben der Altvaͤter in der Wuͤste zu lesen gehabt haͤtte, so wuͤrde ich denenselben alles nachgemacht haben. Wenn Musik zum Tanzen gefordert wurde, so spielte ich nicht mit, ob mir gleich mit der Verabschiedung gedrohet wurde, und haͤtte man nicht aus freiem Willen mit mir Nachsicht gehabt, so haͤtte ich dieselbe mit Freuden angenommen. Jn dieser Zeit aber fuͤgte es sich, daß

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[80/0080] und darin selbst einen kurzen Abriß seiner Geschichte, in Betreff seiner Religionsmeinungen, giebt. »Ohngefaͤhr im 30ten Jahre meines Alters bekam ich eine besondere Neigung in theologischen Schriften zu lesen, so wie mir solche zu Haͤnden kamen, und fand dabei so vieles Vergnuͤgen Predigten zu hoͤren, daß ich auch alle Wochenpredigten besuchte. — Die Festtage hielt ich allemal mit solcher Andacht, daß ich deswegen jedesmal des Tages vorher einen Fasttag hielt. Die Begierde mit den Predigern mich privatim zu unterreden, war so stark, daß ich die Befriedigung derselben mit vielem Gelde wuͤrde erkauft haben, wenn es haͤtte seyn koͤnnen. — Dieses waͤhrte eine lange Zeit, und ich befand mich sehr vergnuͤgt dabei. Hierauf ward ich mit einigen Personen unter dem Namen der Pietisten bekannt, und bekam zu diesen Leuten eine solche unbeschreibliche Zuneigung, daß ich denselben zu Gefallen wohl hundert Meilen weit gereiset seyn wuͤrde. — Jn dieser Zeit starb meine erste Frau, und wenn ich damals das Leben der Altvaͤter in der Wuͤste zu lesen gehabt haͤtte, so wuͤrde ich denenselben alles nachgemacht haben. Wenn Musik zum Tanzen gefordert wurde, so spielte ich nicht mit, ob mir gleich mit der Verabschiedung gedrohet wurde, und haͤtte man nicht aus freiem Willen mit mir Nachsicht gehabt, so haͤtte ich dieselbe mit Freuden angenommen. Jn dieser Zeit aber fuͤgte es sich, daß

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/80>, abgerufen am 25.11.2024.