Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.Dann bot sich ihm auch sogar eine kleine Aussicht zu einer Art von Versorgung in Erfurt dar -- und dies war ihm nun schon eine sehr glückliche Wendung, die er besonders seinem Ausharren zuschrieb. Wer in Erfurt zu etwas kommen wollte, pflegte er nun oft zu Reisern zu sagen, der müsse nur lange Zeit ausharren, und die Geduld nicht verlieren! -- so bescheiden und mäßig war er in seinen Wünschen, und so sehr war jeder Schimmer eines bessern Glücks ihm schon aufmunternd. Er wußte nicht, daß alles äußere Glück ihm nichts mehr helfen konnte, weil der Quell des Glücks in ihm selber versiegt, und die Blume seines Lebens zerknickt war, so daß ihre Blätter nothwendig welken mußten. Reiser fühlte sich von einer solchen Theilnehmung angezogen, als ob das Schicksal dieses Mannes sein eigenes, oder mit dem seinigen doch unzertrennlich verknüpft gewesen wäre. Es war ihm als müßte dieser Mann noch glücklich werden, wenn die Dinge in ihrem Gleise bleiben sollten. Reisern trog aber diesmal, so wie nachher noch oft, seine Ahndung, und sein Glaube an eine Entschädigung für erlittenen Kummer, die nothwendig noch auf Erden statt finden müsse. -- Sauer entschlummerte nach wenigen Jahren, ohne bessere Tage gesehen zu haben. -- Da ihm von außen das Glück ein wenig anlächelte, waren seine innern Kräfte zerstört; und er blieb unbemerkt und unbe- Dann bot sich ihm auch sogar eine kleine Aussicht zu einer Art von Versorgung in Erfurt dar — und dies war ihm nun schon eine sehr gluͤckliche Wendung, die er besonders seinem Ausharren zuschrieb. Wer in Erfurt zu etwas kommen wollte, pflegte er nun oft zu Reisern zu sagen, der muͤsse nur lange Zeit ausharren, und die Geduld nicht verlieren! — so bescheiden und maͤßig war er in seinen Wuͤnschen, und so sehr war jeder Schimmer eines bessern Gluͤcks ihm schon aufmunternd. Er wußte nicht, daß alles aͤußere Gluͤck ihm nichts mehr helfen konnte, weil der Quell des Gluͤcks in ihm selber versiegt, und die Blume seines Lebens zerknickt war, so daß ihre Blaͤtter nothwendig welken mußten. Reiser fuͤhlte sich von einer solchen Theilnehmung angezogen, als ob das Schicksal dieses Mannes sein eigenes, oder mit dem seinigen doch unzertrennlich verknuͤpft gewesen waͤre. Es war ihm als muͤßte dieser Mann noch gluͤcklich werden, wenn die Dinge in ihrem Gleise bleiben sollten. Reisern trog aber diesmal, so wie nachher noch oft, seine Ahndung, und sein Glaube an eine Entschaͤdigung fuͤr erlittenen Kummer, die nothwendig noch auf Erden statt finden muͤsse. — Sauer entschlummerte nach wenigen Jahren, ohne bessere Tage gesehen zu haben. — Da ihm von außen das Gluͤck ein wenig anlaͤchelte, waren seine innern Kraͤfte zerstoͤrt; und er blieb unbemerkt und unbe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0015" n="15"/><lb/> <p>Dann bot sich ihm auch sogar eine kleine Aussicht zu einer Art von Versorgung in Erfurt dar — und dies war ihm nun schon eine sehr gluͤckliche Wendung, die er besonders seinem Ausharren zuschrieb. Wer in Erfurt zu etwas kommen wollte, pflegte er nun oft zu Reisern zu sagen, der muͤsse nur lange Zeit ausharren, und die Geduld nicht verlieren! — so bescheiden und maͤßig war er in seinen Wuͤnschen, und so sehr war jeder Schimmer eines bessern Gluͤcks ihm schon aufmunternd. </p> <p>Er wußte nicht, daß alles aͤußere Gluͤck ihm nichts mehr helfen konnte, weil der Quell des Gluͤcks in ihm selber versiegt, <choice><corr>und</corr><sic>uud</sic></choice> die Blume seines Lebens zerknickt war, so daß ihre Blaͤtter nothwendig welken mußten. </p> <p>Reiser fuͤhlte sich von einer solchen Theilnehmung angezogen, als ob das Schicksal dieses Mannes sein eigenes, oder mit dem seinigen doch unzertrennlich verknuͤpft gewesen waͤre. Es war ihm als muͤßte dieser Mann noch gluͤcklich werden, wenn die Dinge in ihrem Gleise bleiben sollten. </p> <p>Reisern trog aber diesmal, so wie nachher noch oft, seine Ahndung, und sein Glaube an eine Entschaͤdigung fuͤr erlittenen Kummer, die nothwendig noch auf Erden statt finden muͤsse. — Sauer entschlummerte nach wenigen Jahren, ohne bessere Tage gesehen zu haben. — Da ihm von außen das Gluͤck ein wenig anlaͤchelte, waren seine innern Kraͤfte zerstoͤrt; und er blieb unbemerkt und unbe-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0015]
Dann bot sich ihm auch sogar eine kleine Aussicht zu einer Art von Versorgung in Erfurt dar — und dies war ihm nun schon eine sehr gluͤckliche Wendung, die er besonders seinem Ausharren zuschrieb. Wer in Erfurt zu etwas kommen wollte, pflegte er nun oft zu Reisern zu sagen, der muͤsse nur lange Zeit ausharren, und die Geduld nicht verlieren! — so bescheiden und maͤßig war er in seinen Wuͤnschen, und so sehr war jeder Schimmer eines bessern Gluͤcks ihm schon aufmunternd.
Er wußte nicht, daß alles aͤußere Gluͤck ihm nichts mehr helfen konnte, weil der Quell des Gluͤcks in ihm selber versiegt, und die Blume seines Lebens zerknickt war, so daß ihre Blaͤtter nothwendig welken mußten.
Reiser fuͤhlte sich von einer solchen Theilnehmung angezogen, als ob das Schicksal dieses Mannes sein eigenes, oder mit dem seinigen doch unzertrennlich verknuͤpft gewesen waͤre. Es war ihm als muͤßte dieser Mann noch gluͤcklich werden, wenn die Dinge in ihrem Gleise bleiben sollten.
Reisern trog aber diesmal, so wie nachher noch oft, seine Ahndung, und sein Glaube an eine Entschaͤdigung fuͤr erlittenen Kummer, die nothwendig noch auf Erden statt finden muͤsse. — Sauer entschlummerte nach wenigen Jahren, ohne bessere Tage gesehen zu haben. — Da ihm von außen das Gluͤck ein wenig anlaͤchelte, waren seine innern Kraͤfte zerstoͤrt; und er blieb unbemerkt und unbe-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/15>, abgerufen am 27.07.2024. |