Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
Er hatte auch in diesem Fache schon einige vortreffliche Ausarbeitungen geliefert, die aber das Unglück hatten sich unter der Menge zu verlieren, und, eben so wie ihr Verfasser, von den Zeitgenossen nicht bemerkt zu werden. Und während, daß er nun seine übrigen medizinischen Ausarbeitungen in seinem Pulte verschlossen hielt, mußte er die Schrift eines Französischen Arztes, der nach Erfurt kam, und besser als der Doktor Sauer sich wußte bemerken zu machen, ins Lateinische übersetzen, um von dem Uebersetzerlohne zu leben, und für seine hülflosen und armen Kranken neue Arzeneimittel zuzubereiten. Der müßte ganz abgestumpft seyn, der diese Unwürdigkeiten und Demüthigungen vom Schicksal nicht fühlen sollte. Der Doktor Sauer machte eine lächelnde Miene dazu, allein im Jnnersten seiner Seele untergrub doch jede dieser Demüthigungen und Herabwürdigungen seine Thatkraft, und lähmte seinen Muth. Wie konnte er seinem innern Werthe noch trauen, da die ganze Welt ihn verkannte. Wegen der Konnexion mit dem Buchdrucker G...., für welchen er die Korrekturen besorgte, gab er nun auch zuweilen Aufsätze in die berühmte Erfurtische Wochenschrift der Bürger und der Bauer; und da laß Reiser einmal ein Gedicht von
Er hatte auch in diesem Fache schon einige vortreffliche Ausarbeitungen geliefert, die aber das Ungluͤck hatten sich unter der Menge zu verlieren, und, eben so wie ihr Verfasser, von den Zeitgenossen nicht bemerkt zu werden. Und waͤhrend, daß er nun seine uͤbrigen medizinischen Ausarbeitungen in seinem Pulte verschlossen hielt, mußte er die Schrift eines Franzoͤsischen Arztes, der nach Erfurt kam, und besser als der Doktor Sauer sich wußte bemerken zu machen, ins Lateinische uͤbersetzen, um von dem Uebersetzerlohne zu leben, und fuͤr seine huͤlflosen und armen Kranken neue Arzeneimittel zuzubereiten. Der muͤßte ganz abgestumpft seyn, der diese Unwuͤrdigkeiten und Demuͤthigungen vom Schicksal nicht fuͤhlen sollte. Der Doktor Sauer machte eine laͤchelnde Miene dazu, allein im Jnnersten seiner Seele untergrub doch jede dieser Demuͤthigungen und Herabwuͤrdigungen seine Thatkraft, und laͤhmte seinen Muth. Wie konnte er seinem innern Werthe noch trauen, da die ganze Welt ihn verkannte. Wegen der Konnexion mit dem Buchdrucker G...., fuͤr welchen er die Korrekturen besorgte, gab er nun auch zuweilen Aufsaͤtze in die beruͤhmte Erfurtische Wochenschrift der Buͤrger und der Bauer; und da laß Reiser einmal ein Gedicht von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0012" n="12"/><lb/> ob er sich gleich als Arzt schon keine geringe Erfahrung und Geschicklichkeit erworben hatte. </p> <p>Er hatte auch in diesem Fache schon einige vortreffliche Ausarbeitungen geliefert, die aber das Ungluͤck hatten sich unter der Menge zu verlieren, und, eben so wie ihr Verfasser, von den Zeitgenossen nicht bemerkt zu werden. Und waͤhrend, daß er nun seine uͤbrigen medizinischen Ausarbeitungen in seinem Pulte verschlossen hielt, mußte er die Schrift eines Franzoͤsischen Arztes, der nach Erfurt kam, und besser als der Doktor Sauer sich wußte bemerken zu machen, ins Lateinische uͤbersetzen, um von dem Uebersetzerlohne zu leben, und fuͤr seine huͤlflosen und armen Kranken neue Arzeneimittel zuzubereiten. </p> <p>Der muͤßte ganz abgestumpft seyn, der diese Unwuͤrdigkeiten und Demuͤthigungen vom Schicksal nicht fuͤhlen sollte. Der Doktor Sauer machte eine laͤchelnde Miene dazu, allein im Jnnersten seiner Seele untergrub doch jede dieser Demuͤthigungen und Herabwuͤrdigungen seine Thatkraft, und laͤhmte seinen Muth. Wie konnte er seinem innern Werthe noch trauen, da die ganze Welt ihn verkannte. </p> <p>Wegen der Konnexion mit dem Buchdrucker G...., fuͤr welchen er die Korrekturen besorgte, gab er nun auch zuweilen Aufsaͤtze in die beruͤhmte Erfurtische Wochenschrift der Buͤrger und der Bauer; und da laß Reiser einmal ein Gedicht von<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0012]
ob er sich gleich als Arzt schon keine geringe Erfahrung und Geschicklichkeit erworben hatte.
Er hatte auch in diesem Fache schon einige vortreffliche Ausarbeitungen geliefert, die aber das Ungluͤck hatten sich unter der Menge zu verlieren, und, eben so wie ihr Verfasser, von den Zeitgenossen nicht bemerkt zu werden. Und waͤhrend, daß er nun seine uͤbrigen medizinischen Ausarbeitungen in seinem Pulte verschlossen hielt, mußte er die Schrift eines Franzoͤsischen Arztes, der nach Erfurt kam, und besser als der Doktor Sauer sich wußte bemerken zu machen, ins Lateinische uͤbersetzen, um von dem Uebersetzerlohne zu leben, und fuͤr seine huͤlflosen und armen Kranken neue Arzeneimittel zuzubereiten.
Der muͤßte ganz abgestumpft seyn, der diese Unwuͤrdigkeiten und Demuͤthigungen vom Schicksal nicht fuͤhlen sollte. Der Doktor Sauer machte eine laͤchelnde Miene dazu, allein im Jnnersten seiner Seele untergrub doch jede dieser Demuͤthigungen und Herabwuͤrdigungen seine Thatkraft, und laͤhmte seinen Muth. Wie konnte er seinem innern Werthe noch trauen, da die ganze Welt ihn verkannte.
Wegen der Konnexion mit dem Buchdrucker G...., fuͤr welchen er die Korrekturen besorgte, gab er nun auch zuweilen Aufsaͤtze in die beruͤhmte Erfurtische Wochenschrift der Buͤrger und der Bauer; und da laß Reiser einmal ein Gedicht von
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