Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
Bei dem unmäßigen Verlangen mit N.. in eine genaue Bekanntschaft zu treten, habe ich gleichwohl weiter keine andere unerlaubte Absicht gehabt. Jch wünschte nur die genaueste Vereinigung mit ihm; ja in meinen schwärmerischen Anfällen di Möglichkeit, mich ganz in ihn hineinziehen zu können, daß wir beide nur eine Person ausmachten. Vernunft und Religion aber hatten zuviel Einfluß auf mich, als daß ich unerlaubte Wünsche hätte sollen emporkommen lassen. Demohngeachtet aber gerieth ich in eine heftige Bewegung, daß ich im ganzen Gesichte glühete, als ein guter Freund, mit dem ich einmal Abends spatzieren gieng, zu mir sagte, da geht N.., er ist gewiß bei einem hübschen Mädchen gewesen? Er sagte dieses nur im Scherz; es hatte aber eine solche Wirkung auf mich, daß ich den ganzen Abend in der größten Unruhe zubrachte, ohne jedoch einen unedlen Wunsch in meiner Seele aufkeimen zu lassen. Dieses bezeugt auch mein jetziges Verhältniß mit N.., da ich nunmehr mit ihm bekannt bin, und nie etwas Unanständiges ihm zugemuthet habe. Mein Wunsch mit ihm bekannt zu werden ist nun erfüllt, meine tödtende Unruhe hat mich verlassen, ich freue mich und bin glücklich!
Bei dem unmaͤßigen Verlangen mit N.. in eine genaue Bekanntschaft zu treten, habe ich gleichwohl weiter keine andere unerlaubte Absicht gehabt. Jch wuͤnschte nur die genaueste Vereinigung mit ihm; ja in meinen schwaͤrmerischen Anfaͤllen di Moͤglichkeit, mich ganz in ihn hineinziehen zu koͤnnen, daß wir beide nur eine Person ausmachten. Vernunft und Religion aber hatten zuviel Einfluß auf mich, als daß ich unerlaubte Wuͤnsche haͤtte sollen emporkommen lassen. Demohngeachtet aber gerieth ich in eine heftige Bewegung, daß ich im ganzen Gesichte gluͤhete, als ein guter Freund, mit dem ich einmal Abends spatzieren gieng, zu mir sagte, da geht N.., er ist gewiß bei einem huͤbschen Maͤdchen gewesen? Er sagte dieses nur im Scherz; es hatte aber eine solche Wirkung auf mich, daß ich den ganzen Abend in der groͤßten Unruhe zubrachte, ohne jedoch einen unedlen Wunsch in meiner Seele aufkeimen zu lassen. Dieses bezeugt auch mein jetziges Verhaͤltniß mit N.., da ich nunmehr mit ihm bekannt bin, und nie etwas Unanstaͤndiges ihm zugemuthet habe. Mein Wunsch mit ihm bekannt zu werden ist nun erfuͤllt, meine toͤdtende Unruhe hat mich verlassen, ich freue mich und bin gluͤcklich! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="106"/><lb/> muͤssen deshalb auf sie ihre vorzuͤgliche Aufmerksamkeit richten.</p> <p>Bei dem unmaͤßigen Verlangen mit N.. in eine genaue Bekanntschaft zu treten, habe ich gleichwohl weiter keine andere unerlaubte Absicht gehabt. Jch wuͤnschte nur die genaueste Vereinigung mit ihm; ja in meinen schwaͤrmerischen Anfaͤllen di Moͤglichkeit, mich ganz in ihn hineinziehen zu koͤnnen, daß wir beide nur eine Person ausmachten. Vernunft und Religion aber hatten zuviel Einfluß auf mich, als daß ich unerlaubte Wuͤnsche haͤtte sollen emporkommen lassen. Demohngeachtet aber gerieth ich in eine heftige Bewegung, daß ich im ganzen Gesichte gluͤhete, als ein guter Freund, mit dem ich einmal Abends spatzieren gieng, zu mir sagte, da geht N.., er ist gewiß bei einem huͤbschen Maͤdchen gewesen? Er sagte dieses nur im Scherz; es hatte aber eine solche Wirkung auf mich, daß ich den ganzen Abend in der groͤßten Unruhe zubrachte, ohne jedoch einen unedlen Wunsch in meiner Seele aufkeimen zu lassen. Dieses bezeugt auch mein jetziges Verhaͤltniß mit N.., da ich nunmehr mit ihm bekannt bin, und nie etwas Unanstaͤndiges ihm zugemuthet habe. Mein Wunsch mit ihm bekannt zu werden ist nun erfuͤllt, meine toͤdtende Unruhe hat mich verlassen, ich freue mich und bin gluͤcklich!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0106]
muͤssen deshalb auf sie ihre vorzuͤgliche Aufmerksamkeit richten.
Bei dem unmaͤßigen Verlangen mit N.. in eine genaue Bekanntschaft zu treten, habe ich gleichwohl weiter keine andere unerlaubte Absicht gehabt. Jch wuͤnschte nur die genaueste Vereinigung mit ihm; ja in meinen schwaͤrmerischen Anfaͤllen di Moͤglichkeit, mich ganz in ihn hineinziehen zu koͤnnen, daß wir beide nur eine Person ausmachten. Vernunft und Religion aber hatten zuviel Einfluß auf mich, als daß ich unerlaubte Wuͤnsche haͤtte sollen emporkommen lassen. Demohngeachtet aber gerieth ich in eine heftige Bewegung, daß ich im ganzen Gesichte gluͤhete, als ein guter Freund, mit dem ich einmal Abends spatzieren gieng, zu mir sagte, da geht N.., er ist gewiß bei einem huͤbschen Maͤdchen gewesen? Er sagte dieses nur im Scherz; es hatte aber eine solche Wirkung auf mich, daß ich den ganzen Abend in der groͤßten Unruhe zubrachte, ohne jedoch einen unedlen Wunsch in meiner Seele aufkeimen zu lassen. Dieses bezeugt auch mein jetziges Verhaͤltniß mit N.., da ich nunmehr mit ihm bekannt bin, und nie etwas Unanstaͤndiges ihm zugemuthet habe. Mein Wunsch mit ihm bekannt zu werden ist nun erfuͤllt, meine toͤdtende Unruhe hat mich verlassen, ich freue mich und bin gluͤcklich!
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