Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Jn Ansehung seines Führers im Jnnern aber änderte sich etwas. Dieser hatte nehmlich, wie er ihm die Veränderung seines Berufs widerrieth, gar deutlich eingesehen, daß hierdurch das Aeußere so sehr leiden würde, daß es ihm als seinen Führer zur Last fallen könnte. Daher glaubte er nun die Eingebung zu haben, daß er sich um seinen geistlichen Zögling nun ferner nicht mehr bekümmern, ihm auf seine Briefe nicht mehr antworten, und ihn allein Gott überlassen müsse. Das Ausbleiben der Antworten auf seine Briefe an seinen geistlichen Führer kam nun unserm Manne sonderbar vor, er hielt denn aber auch dieß für Prüfungen des Jnnern, suchte sich selbst immer aus den gar zu verlegnen Umständen zu helfen, und lebte übrigens so in seinem Elende fort, bis er bereits vier und funfzig Jahr darüber alt geworden war. Nun aber that er eine Reise, auf welcher er alle Personen mit denen er wegen der Mystik durch seinen geistlichen Führer bekannt war, außer seinen geistlichen Führer selbst, welcher schon gestorben war, besuchte; um zu erfahren, ob und wie weit
Jn Ansehung seines Fuͤhrers im Jnnern aber aͤnderte sich etwas. Dieser hatte nehmlich, wie er ihm die Veraͤnderung seines Berufs widerrieth, gar deutlich eingesehen, daß hierdurch das Aeußere so sehr leiden wuͤrde, daß es ihm als seinen Fuͤhrer zur Last fallen koͤnnte. Daher glaubte er nun die Eingebung zu haben, daß er sich um seinen geistlichen Zoͤgling nun ferner nicht mehr bekuͤmmern, ihm auf seine Briefe nicht mehr antworten, und ihn allein Gott uͤberlassen muͤsse. Das Ausbleiben der Antworten auf seine Briefe an seinen geistlichen Fuͤhrer kam nun unserm Manne sonderbar vor, er hielt denn aber auch dieß fuͤr Pruͤfungen des Jnnern, suchte sich selbst immer aus den gar zu verlegnen Umstaͤnden zu helfen, und lebte uͤbrigens so in seinem Elende fort, bis er bereits vier und funfzig Jahr daruͤber alt geworden war. Nun aber that er eine Reise, auf welcher er alle Personen mit denen er wegen der Mystik durch seinen geistlichen Fuͤhrer bekannt war, außer seinen geistlichen Fuͤhrer selbst, welcher schon gestorben war, besuchte; um zu erfahren, ob und wie weit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="116"/><lb/> Hochmuth darniedergeschlagen werden sollte; und suchte sich also immer fester in seinem Jnnern zu setzen.</p> <p>Jn Ansehung seines Fuͤhrers im Jnnern aber aͤnderte sich etwas. </p> <p>Dieser hatte nehmlich, wie er ihm die Veraͤnderung seines Berufs widerrieth, gar deutlich eingesehen, daß hierdurch das Aeußere so sehr leiden wuͤrde, daß es ihm als seinen Fuͤhrer zur Last fallen koͤnnte. </p> <p>Daher glaubte er nun die Eingebung zu haben, daß er sich um seinen geistlichen Zoͤgling nun ferner nicht mehr bekuͤmmern, ihm auf seine Briefe nicht mehr antworten, und ihn allein Gott uͤberlassen muͤsse. </p> <p>Das Ausbleiben der Antworten auf seine Briefe an seinen geistlichen Fuͤhrer kam nun unserm Manne sonderbar vor, er hielt denn aber auch dieß fuͤr Pruͤfungen des Jnnern, suchte sich selbst immer aus den gar zu verlegnen Umstaͤnden zu helfen, und lebte uͤbrigens so in seinem Elende fort, bis er bereits vier und funfzig Jahr daruͤber alt geworden war. </p> <p>Nun aber that er eine Reise, auf welcher er alle Personen mit denen er wegen der Mystik durch seinen geistlichen Fuͤhrer bekannt war, außer seinen geistlichen Fuͤhrer selbst, welcher schon gestorben war, besuchte; um zu erfahren, ob und wie weit<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0118]
Hochmuth darniedergeschlagen werden sollte; und suchte sich also immer fester in seinem Jnnern zu setzen.
Jn Ansehung seines Fuͤhrers im Jnnern aber aͤnderte sich etwas.
Dieser hatte nehmlich, wie er ihm die Veraͤnderung seines Berufs widerrieth, gar deutlich eingesehen, daß hierdurch das Aeußere so sehr leiden wuͤrde, daß es ihm als seinen Fuͤhrer zur Last fallen koͤnnte.
Daher glaubte er nun die Eingebung zu haben, daß er sich um seinen geistlichen Zoͤgling nun ferner nicht mehr bekuͤmmern, ihm auf seine Briefe nicht mehr antworten, und ihn allein Gott uͤberlassen muͤsse.
Das Ausbleiben der Antworten auf seine Briefe an seinen geistlichen Fuͤhrer kam nun unserm Manne sonderbar vor, er hielt denn aber auch dieß fuͤr Pruͤfungen des Jnnern, suchte sich selbst immer aus den gar zu verlegnen Umstaͤnden zu helfen, und lebte uͤbrigens so in seinem Elende fort, bis er bereits vier und funfzig Jahr daruͤber alt geworden war.
Nun aber that er eine Reise, auf welcher er alle Personen mit denen er wegen der Mystik durch seinen geistlichen Fuͤhrer bekannt war, außer seinen geistlichen Fuͤhrer selbst, welcher schon gestorben war, besuchte; um zu erfahren, ob und wie weit
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/118>, abgerufen am 16.02.2025. |