Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.Abends. Während dem Gehen gelang es mir, die Gedanken, die mich traurig machten, nach und nach zu unterdrücken. Es traten andre an ihre Stelle, welche sie verdrängten. Jch fand, wie klein und unbedeutend mein gegenwärtiger Verdruß im Verhältniß gegen meine Entwürfe sey. Diese Entwürfe rollten sich alle in meiner Seele aus einander, und gewährten mir eine süße Täuschung. Das alles geschah aber erst, nachdem ich eine Weile schnell gegangen war, und nachdem wenigstens einer meiner kleinen Wünsche befriediget war. Sobald ich merke, daß es mir nur in einem Stücke gelingt, so schöpfe ich auch gleich wieder große Hofnung. Bin ich nicht dazu bestimmt, etwas Großes zu unternehmen, woher diese brennenden Wünsche, mich auszubreiten, mich loßzureißen von dem Joche, das mich darnieder zieht? -- Und was ist das, etwas Großes unternehmen? Wäre es nicht das Größte, diese brennenden Wünsche zu unterdrücken, und im Stillen Gutes zu thun? Aber das kömmt mir so fremd, so unmöglich vor -- und doch bin ich zu schwach, (wie schwer es mir wird, das Wort hinzuschreiben!) das erste ununterbrochen hinauszuführen. Abends. Waͤhrend dem Gehen gelang es mir, die Gedanken, die mich traurig machten, nach und nach zu unterdruͤcken. Es traten andre an ihre Stelle, welche sie verdraͤngten. Jch fand, wie klein und unbedeutend mein gegenwaͤrtiger Verdruß im Verhaͤltniß gegen meine Entwuͤrfe sey. Diese Entwuͤrfe rollten sich alle in meiner Seele aus einander, und gewaͤhrten mir eine suͤße Taͤuschung. Das alles geschah aber erst, nachdem ich eine Weile schnell gegangen war, und nachdem wenigstens einer meiner kleinen Wuͤnsche befriediget war. Sobald ich merke, daß es mir nur in einem Stuͤcke gelingt, so schoͤpfe ich auch gleich wieder große Hofnung. Bin ich nicht dazu bestimmt, etwas Großes zu unternehmen, woher diese brennenden Wuͤnsche, mich auszubreiten, mich loßzureißen von dem Joche, das mich darnieder zieht? — Und was ist das, etwas Großes unternehmen? Waͤre es nicht das Groͤßte, diese brennenden Wuͤnsche zu unterdruͤcken, und im Stillen Gutes zu thun? Aber das koͤmmt mir so fremd, so unmoͤglich vor — und doch bin ich zu schwach, (wie schwer es mir wird, das Wort hinzuschreiben!) das erste ununterbrochen hinauszufuͤhren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0040" n="40"/><lb/> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#c">Abends.</hi> </dateline> </opener> <p>Waͤhrend dem Gehen gelang es mir, die Gedanken, die mich traurig machten, nach und nach zu unterdruͤcken. Es traten andre an ihre Stelle, welche sie verdraͤngten. Jch fand, wie klein und unbedeutend mein gegenwaͤrtiger Verdruß im Verhaͤltniß gegen meine Entwuͤrfe sey.</p> <p>Diese Entwuͤrfe rollten sich alle in meiner Seele aus einander, und gewaͤhrten mir eine suͤße Taͤuschung.</p> <p>Das alles geschah aber erst, nachdem ich eine Weile schnell gegangen war, und nachdem wenigstens einer meiner kleinen Wuͤnsche befriediget war.</p> <p>Sobald ich merke, daß es mir nur in einem Stuͤcke gelingt, so schoͤpfe ich auch gleich wieder große Hofnung.</p> <p>Bin ich nicht dazu bestimmt, etwas Großes zu unternehmen, woher diese brennenden Wuͤnsche, mich auszubreiten, mich loßzureißen von dem Joche, das mich darnieder zieht? — Und was ist das, etwas Großes unternehmen?</p> <p>Waͤre es nicht das Groͤßte, diese brennenden Wuͤnsche zu unterdruͤcken, und im Stillen Gutes zu thun?</p> <p>Aber das koͤmmt mir so fremd, so unmoͤglich vor — und doch bin ich zu schwach, (wie schwer es mir wird, das Wort hinzuschreiben!) das erste ununterbrochen hinauszufuͤhren.</p> </div><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0040]
Abends. Waͤhrend dem Gehen gelang es mir, die Gedanken, die mich traurig machten, nach und nach zu unterdruͤcken. Es traten andre an ihre Stelle, welche sie verdraͤngten. Jch fand, wie klein und unbedeutend mein gegenwaͤrtiger Verdruß im Verhaͤltniß gegen meine Entwuͤrfe sey.
Diese Entwuͤrfe rollten sich alle in meiner Seele aus einander, und gewaͤhrten mir eine suͤße Taͤuschung.
Das alles geschah aber erst, nachdem ich eine Weile schnell gegangen war, und nachdem wenigstens einer meiner kleinen Wuͤnsche befriediget war.
Sobald ich merke, daß es mir nur in einem Stuͤcke gelingt, so schoͤpfe ich auch gleich wieder große Hofnung.
Bin ich nicht dazu bestimmt, etwas Großes zu unternehmen, woher diese brennenden Wuͤnsche, mich auszubreiten, mich loßzureißen von dem Joche, das mich darnieder zieht? — Und was ist das, etwas Großes unternehmen?
Waͤre es nicht das Groͤßte, diese brennenden Wuͤnsche zu unterdruͤcken, und im Stillen Gutes zu thun?
Aber das koͤmmt mir so fremd, so unmoͤglich vor — und doch bin ich zu schwach, (wie schwer es mir wird, das Wort hinzuschreiben!) das erste ununterbrochen hinauszufuͤhren.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/40>, abgerufen am 16.02.2025. |