Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.
Was soll ich thun, um den nagenden Verdruß abzuschütteln? Jch habe den Muth zu allem verlohren. -- Wie wird das gehn, wenn ich mit meinem Vorsatze nicht durch alle diese Verdrüßlichkeiten hindurchdringe? -- Schon vier Tage von vierzehn sind verflossen, und noch habe ich nichts gethan -- und habe auch nicht die Kraft, die gegenwärtige Muße zu nutzen -- ich fühle die Bürde des Lebens, und habe sie immer gefühlt -- das war mein Wunsch so oft, im Genuß eines langgehoften Glücks zu sterben. -- Schon in ..... wünschte ich dies einmal, und hofte es sogar, da ich auch ein damals für mich großes Glück erreichte. Vor ... Jahren wünschte ich es, da ich alle meine Wünsche gewissermaßen erfüllt sahe -- und nun? -- Ja, wenn ich leben soll, so muß es zu meiner Freude seyn, und das kann wieder nicht ohne eine ununterbrochene Thätigkeit geschehen, und diese wird doch durch jeden Verdruß unterbrochen. -- Warum kann ich so wenig frohe Zeitpunkte in meinem Leben zählen? Weil mein würkliches Leben nach dem Laufe der Natur, nur so selten in mein idealisches Leben eingreifen konnte.
Was soll ich thun, um den nagenden Verdruß abzuschuͤtteln? Jch habe den Muth zu allem verlohren. — Wie wird das gehn, wenn ich mit meinem Vorsatze nicht durch alle diese Verdruͤßlichkeiten hindurchdringe? — Schon vier Tage von vierzehn sind verflossen, und noch habe ich nichts gethan — und habe auch nicht die Kraft, die gegenwaͤrtige Muße zu nutzen — ich fuͤhle die Buͤrde des Lebens, und habe sie immer gefuͤhlt — das war mein Wunsch so oft, im Genuß eines langgehoften Gluͤcks zu sterben. — Schon in ..... wuͤnschte ich dies einmal, und hofte es sogar, da ich auch ein damals fuͤr mich großes Gluͤck erreichte. Vor ... Jahren wuͤnschte ich es, da ich alle meine Wuͤnsche gewissermaßen erfuͤllt sahe — und nun? — Ja, wenn ich leben soll, so muß es zu meiner Freude seyn, und das kann wieder nicht ohne eine ununterbrochene Thaͤtigkeit geschehen, und diese wird doch durch jeden Verdruß unterbrochen. — Warum kann ich so wenig frohe Zeitpunkte in meinem Leben zaͤhlen? Weil mein wuͤrkliches Leben nach dem Laufe der Natur, nur so selten in mein idealisches Leben eingreifen konnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0039" n="39"/><lb/> unertraͤglicher Zustand — nicht so heftig wie Traurigkeit, und doch weit schlimmer. —</p> <p>Was soll ich thun, um den nagenden Verdruß abzuschuͤtteln?</p> <p>Jch habe den Muth zu allem verlohren. —</p> <p>Wie wird das gehn, wenn ich mit meinem Vorsatze nicht durch alle diese Verdruͤßlichkeiten hindurchdringe? —</p> <p>Schon vier Tage von vierzehn sind verflossen, und noch habe ich nichts gethan — und habe auch nicht die Kraft, die gegenwaͤrtige Muße zu nutzen — ich fuͤhle die Buͤrde des Lebens, und habe sie immer gefuͤhlt — das war mein Wunsch so oft, im Genuß eines langgehoften Gluͤcks zu sterben. —</p> <p>Schon in ..... wuͤnschte ich dies einmal, und hofte es sogar, da ich auch ein damals fuͤr mich großes Gluͤck erreichte.</p> <p>Vor ... Jahren wuͤnschte ich es, da ich alle meine Wuͤnsche gewissermaßen erfuͤllt sahe — und nun? — Ja, wenn ich leben soll, so muß es zu meiner Freude seyn, und das kann wieder nicht ohne eine ununterbrochene Thaͤtigkeit geschehen, und diese wird doch durch jeden Verdruß unterbrochen. —</p> <p>Warum kann ich so wenig frohe Zeitpunkte in meinem Leben zaͤhlen?</p> <p>Weil mein wuͤrkliches Leben nach dem Laufe der Natur, nur so selten in mein idealisches Leben eingreifen konnte.</p> </div><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0039]
unertraͤglicher Zustand — nicht so heftig wie Traurigkeit, und doch weit schlimmer. —
Was soll ich thun, um den nagenden Verdruß abzuschuͤtteln?
Jch habe den Muth zu allem verlohren. —
Wie wird das gehn, wenn ich mit meinem Vorsatze nicht durch alle diese Verdruͤßlichkeiten hindurchdringe? —
Schon vier Tage von vierzehn sind verflossen, und noch habe ich nichts gethan — und habe auch nicht die Kraft, die gegenwaͤrtige Muße zu nutzen — ich fuͤhle die Buͤrde des Lebens, und habe sie immer gefuͤhlt — das war mein Wunsch so oft, im Genuß eines langgehoften Gluͤcks zu sterben. —
Schon in ..... wuͤnschte ich dies einmal, und hofte es sogar, da ich auch ein damals fuͤr mich großes Gluͤck erreichte.
Vor ... Jahren wuͤnschte ich es, da ich alle meine Wuͤnsche gewissermaßen erfuͤllt sahe — und nun? — Ja, wenn ich leben soll, so muß es zu meiner Freude seyn, und das kann wieder nicht ohne eine ununterbrochene Thaͤtigkeit geschehen, und diese wird doch durch jeden Verdruß unterbrochen. —
Warum kann ich so wenig frohe Zeitpunkte in meinem Leben zaͤhlen?
Weil mein wuͤrkliches Leben nach dem Laufe der Natur, nur so selten in mein idealisches Leben eingreifen konnte.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/39>, abgerufen am 16.02.2025. |