Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.
Wie aber nach und nach die Jmagination durch die aufgehängten großen Bilder erhitzt wurde, so wagte er sich nun selbst an das Enträthseln des Verhüllten, und glaubte auch, es glücke ihm in seinen Versuchen. Die angebrannte Jmagination ließ ihm das Willkührliche und Grundlose in seinen Erklärungsarten nicht bemerken, vielmehr arrogirte sie sich selbst den Namen von Scharfsinn und untersuchender Vernunft. Die Deutungen, die er den Bildern jenes Buchs gegeben hatte, hatten sich bei ihm bald in den Besitz der Unfehlbarkeit gesetzt, und die natürliche Folge war, daß er anders denkende Menschen nicht dulden konnte, wenn sie nicht noch geschmeidig genug waren, seine Meinung anzunehmen. Er glaubte einen Vorzug vor andern seines Gleichen zu haben, weil diesen die Schätze, welche er in jenem Buche gefunden zu haben glaubte, nicht so einleuchten wollten. Die natürlichen Kräfte des menschlichen Geistes schienen ihm daher dies bei ihm auch nicht bewürkt zu haben, sondern das mußte durch eine höhere Kraft geschehen seyn.
Wie aber nach und nach die Jmagination durch die aufgehaͤngten großen Bilder erhitzt wurde, so wagte er sich nun selbst an das Entraͤthseln des Verhuͤllten, und glaubte auch, es gluͤcke ihm in seinen Versuchen. Die angebrannte Jmagination ließ ihm das Willkuͤhrliche und Grundlose in seinen Erklaͤrungsarten nicht bemerken, vielmehr arrogirte sie sich selbst den Namen von Scharfsinn und untersuchender Vernunft. Die Deutungen, die er den Bildern jenes Buchs gegeben hatte, hatten sich bei ihm bald in den Besitz der Unfehlbarkeit gesetzt, und die natuͤrliche Folge war, daß er anders denkende Menschen nicht dulden konnte, wenn sie nicht noch geschmeidig genug waren, seine Meinung anzunehmen. Er glaubte einen Vorzug vor andern seines Gleichen zu haben, weil diesen die Schaͤtze, welche er in jenem Buche gefunden zu haben glaubte, nicht so einleuchten wollten. Die natuͤrlichen Kraͤfte des menschlichen Geistes schienen ihm daher dies bei ihm auch nicht bewuͤrkt zu haben, sondern das mußte durch eine hoͤhere Kraft geschehen seyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0018" n="18"/><lb/> lektuͤre. Jn diesem heiligen Labyrinth wagte er sich Anfangs nicht ohne Fackeltraͤger zu wandeln, und <hi rendition="#b">Crusius</hi> und <hi rendition="#b">Bengel</hi> mußten ihn als Eingeweihte vorzuͤglich leiten.</p> <p>Wie aber nach und nach die Jmagination durch die aufgehaͤngten großen Bilder erhitzt wurde, so wagte er sich nun selbst an das <choice><corr>Entraͤthseln</corr><sic>Entraͤhseln</sic></choice> des Verhuͤllten, und glaubte auch, es gluͤcke ihm in seinen Versuchen.</p> <p>Die angebrannte Jmagination ließ ihm das Willkuͤhrliche und Grundlose in seinen Erklaͤrungsarten nicht bemerken, vielmehr arrogirte sie sich selbst den Namen von Scharfsinn und untersuchender Vernunft.</p> <p>Die Deutungen, die er den Bildern jenes Buchs gegeben hatte, hatten sich bei ihm bald in den Besitz der Unfehlbarkeit gesetzt, und die natuͤrliche Folge war, daß er anders denkende Menschen nicht dulden konnte, wenn sie nicht noch geschmeidig genug waren, seine Meinung anzunehmen.</p> <p>Er glaubte einen Vorzug vor andern seines Gleichen zu haben, weil diesen die Schaͤtze, welche er in jenem Buche gefunden zu haben glaubte, nicht so einleuchten wollten.</p> <p>Die natuͤrlichen Kraͤfte des menschlichen Geistes schienen ihm daher dies bei ihm auch nicht bewuͤrkt zu haben, sondern das mußte durch eine hoͤhere Kraft geschehen seyn.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0018]
lektuͤre. Jn diesem heiligen Labyrinth wagte er sich Anfangs nicht ohne Fackeltraͤger zu wandeln, und Crusius und Bengel mußten ihn als Eingeweihte vorzuͤglich leiten.
Wie aber nach und nach die Jmagination durch die aufgehaͤngten großen Bilder erhitzt wurde, so wagte er sich nun selbst an das Entraͤthseln des Verhuͤllten, und glaubte auch, es gluͤcke ihm in seinen Versuchen.
Die angebrannte Jmagination ließ ihm das Willkuͤhrliche und Grundlose in seinen Erklaͤrungsarten nicht bemerken, vielmehr arrogirte sie sich selbst den Namen von Scharfsinn und untersuchender Vernunft.
Die Deutungen, die er den Bildern jenes Buchs gegeben hatte, hatten sich bei ihm bald in den Besitz der Unfehlbarkeit gesetzt, und die natuͤrliche Folge war, daß er anders denkende Menschen nicht dulden konnte, wenn sie nicht noch geschmeidig genug waren, seine Meinung anzunehmen.
Er glaubte einen Vorzug vor andern seines Gleichen zu haben, weil diesen die Schaͤtze, welche er in jenem Buche gefunden zu haben glaubte, nicht so einleuchten wollten.
Die natuͤrlichen Kraͤfte des menschlichen Geistes schienen ihm daher dies bei ihm auch nicht bewuͤrkt zu haben, sondern das mußte durch eine hoͤhere Kraft geschehen seyn.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |