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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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zen, trank einigemahl des Hofmeisters Gesundheit, und kehrte vergnügt nach dem Schlosse zurück.

Eines mahles, als sich Negretti in diesem Zustande befand, schlug ihn einer mit dem Stocke auf die Beine. Negretti, welcher glaubte, daß ihm ein Hund an die Beine liefe, fing an zu schmälen; da man aber mit dem Stocke fortfuhr, suchte er eine Karbatsche, und hieb auf den vermeinten Hund los, um ihn fort zu jagen. Endlich wurde er es überdrüßig, und fieng an auf den Hund gewaltig zu fluchen, da er ihn mit Schlägen nicht los werden konnte. Er zog endlich ein Stück Brodt aus der Tasche, lokte damit den Hund, und hielt die Karbatsche hinter dem Rücken verborgen. Man warf ihm einen Muff entgegen, den er für den Hund annahm, und seine Wuth an ihm ausließ.

Herr Pigatti beobachtete diesen Negretti sehr oft, und merkte an, daß er alle Nächte etwas anderes vornahm. Er bemerkte auch, daß derselbe, so lange er sich in diesem Zustande befand, den Gebrauch des Gesichts, des Gehörs, des Geruchs und Geschmacks nicht hatte. Wir haben gesehen, daß man ihm verschiedene Gerichte vorsetzen konnte, ohne daß er etwas von der Veränderung des Geschmacks gewahr wurde; Er hörte das stärkste Geräusch und Lärmen nicht; sahe es nicht, als man ihm ein Licht so nahe vor die Augen hielt, daß die Augenbraunen davon versengt wurden; er fühlte es nicht, als man ihm mit einer Feder in der Nase


zen, trank einigemahl des Hofmeisters Gesundheit, und kehrte vergnuͤgt nach dem Schlosse zuruͤck.

Eines mahles, als sich Negretti in diesem Zustande befand, schlug ihn einer mit dem Stocke auf die Beine. Negretti, welcher glaubte, daß ihm ein Hund an die Beine liefe, fing an zu schmaͤlen; da man aber mit dem Stocke fortfuhr, suchte er eine Karbatsche, und hieb auf den vermeinten Hund los, um ihn fort zu jagen. Endlich wurde er es uͤberdruͤßig, und fieng an auf den Hund gewaltig zu fluchen, da er ihn mit Schlaͤgen nicht los werden konnte. Er zog endlich ein Stuͤck Brodt aus der Tasche, lokte damit den Hund, und hielt die Karbatsche hinter dem Ruͤcken verborgen. Man warf ihm einen Muff entgegen, den er fuͤr den Hund annahm, und seine Wuth an ihm ausließ.

Herr Pigatti beobachtete diesen Negretti sehr oft, und merkte an, daß er alle Naͤchte etwas anderes vornahm. Er bemerkte auch, daß derselbe, so lange er sich in diesem Zustande befand, den Gebrauch des Gesichts, des Gehoͤrs, des Geruchs und Geschmacks nicht hatte. Wir haben gesehen, daß man ihm verschiedene Gerichte vorsetzen konnte, ohne daß er etwas von der Veraͤnderung des Geschmacks gewahr wurde; Er hoͤrte das staͤrkste Geraͤusch und Laͤrmen nicht; sahe es nicht, als man ihm ein Licht so nahe vor die Augen hielt, daß die Augenbraunen davon versengt wurden; er fuͤhlte es nicht, als man ihm mit einer Feder in der Nase

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[77/0077] zen, trank einigemahl des Hofmeisters Gesundheit, und kehrte vergnuͤgt nach dem Schlosse zuruͤck. Eines mahles, als sich Negretti in diesem Zustande befand, schlug ihn einer mit dem Stocke auf die Beine. Negretti, welcher glaubte, daß ihm ein Hund an die Beine liefe, fing an zu schmaͤlen; da man aber mit dem Stocke fortfuhr, suchte er eine Karbatsche, und hieb auf den vermeinten Hund los, um ihn fort zu jagen. Endlich wurde er es uͤberdruͤßig, und fieng an auf den Hund gewaltig zu fluchen, da er ihn mit Schlaͤgen nicht los werden konnte. Er zog endlich ein Stuͤck Brodt aus der Tasche, lokte damit den Hund, und hielt die Karbatsche hinter dem Ruͤcken verborgen. Man warf ihm einen Muff entgegen, den er fuͤr den Hund annahm, und seine Wuth an ihm ausließ. Herr Pigatti beobachtete diesen Negretti sehr oft, und merkte an, daß er alle Naͤchte etwas anderes vornahm. Er bemerkte auch, daß derselbe, so lange er sich in diesem Zustande befand, den Gebrauch des Gesichts, des Gehoͤrs, des Geruchs und Geschmacks nicht hatte. Wir haben gesehen, daß man ihm verschiedene Gerichte vorsetzen konnte, ohne daß er etwas von der Veraͤnderung des Geschmacks gewahr wurde; Er hoͤrte das staͤrkste Geraͤusch und Laͤrmen nicht; sahe es nicht, als man ihm ein Licht so nahe vor die Augen hielt, daß die Augenbraunen davon versengt wurden; er fuͤhlte es nicht, als man ihm mit einer Feder in der Nase

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/77>, abgerufen am 05.12.2024.