Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Der seltsamste Nachtwandler, den man noch gefunden hat, ist ein gewisser Johann Baptist Negretti von Vicenza, bei dem Marquis Ludewig Sale ehemals in Diensten. Er war ein schwarzbrauner Mensch; hatte einen sehr trockenen Körper, war hitzig, zornig und betrank sich gern. Er war seit dem eilften Jahre mondsüchtig gewesen; doch kamen die Anfälle nur im März, und dauerten höchstens bis in die Hälfte des Aprils. Die Herren Reghelim und Pigatti machten sich ein Vergnügen, seinen Zustand genau zu beobachten. Der leztere hat im Jahre 1745 einen Bericht davon aufgesezt, dessen vornehmste Umstände im Monat Julius des Journal encyclopedique vom Jahre 1762 zu finden sind. Wenn sich Negretti des Nachts im Vorzimmer auf einen Stuhl gesetzt hatte, schlief er ein, und brachte eine Viertelstunde ruhig schlafend zu. Er richtete sich sodann sitzend in die Höhe, und blieb in dieser Stellung unbeweglich, nicht anders, als ob er nach etwas sähe. Endlich stand er auf, ging im Zimmer herum, zog eine Schnupftabacksdose aus der Tasche, und wollte eine Prise nehmen. Da er aber nicht viel darinn fand, stellte er sich erboßt an, gieng zu einem Stuhle, auf welchem ein
Der seltsamste Nachtwandler, den man noch gefunden hat, ist ein gewisser Johann Baptist Negretti von Vicenza, bei dem Marquis Ludewig Sale ehemals in Diensten. Er war ein schwarzbrauner Mensch; hatte einen sehr trockenen Koͤrper, war hitzig, zornig und betrank sich gern. Er war seit dem eilften Jahre mondsuͤchtig gewesen; doch kamen die Anfaͤlle nur im Maͤrz, und dauerten hoͤchstens bis in die Haͤlfte des Aprils. Die Herren Reghelim und Pigatti machten sich ein Vergnuͤgen, seinen Zustand genau zu beobachten. Der leztere hat im Jahre 1745 einen Bericht davon aufgesezt, dessen vornehmste Umstaͤnde im Monat Julius des Journal encyclopedique vom Jahre 1762 zu finden sind. Wenn sich Negretti des Nachts im Vorzimmer auf einen Stuhl gesetzt hatte, schlief er ein, und brachte eine Viertelstunde ruhig schlafend zu. Er richtete sich sodann sitzend in die Hoͤhe, und blieb in dieser Stellung unbeweglich, nicht anders, als ob er nach etwas saͤhe. Endlich stand er auf, ging im Zimmer herum, zog eine Schnupftabacksdose aus der Tasche, und wollte eine Prise nehmen. Da er aber nicht viel darinn fand, stellte er sich erboßt an, gieng zu einem Stuhle, auf welchem ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0070" n="70"/><lb/> Er stuͤrzte sich aus einem hohen Fenster, brach den Arm, und seit der Zeit wurde er nicht mehr von seiner Krankheit befallen.«</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Der seltsamste Nachtwandler, den man noch gefunden hat, ist ein gewisser Johann Baptist Negretti von Vicenza, bei dem Marquis Ludewig Sale ehemals in Diensten. Er war ein schwarzbrauner Mensch; hatte einen sehr trockenen Koͤrper, war hitzig, zornig und betrank sich gern. Er war seit dem eilften Jahre mondsuͤchtig gewesen; doch kamen die Anfaͤlle nur im Maͤrz, und dauerten hoͤchstens bis in die Haͤlfte des Aprils. Die Herren Reghelim und Pigatti machten sich ein Vergnuͤgen, seinen Zustand genau zu beobachten. Der leztere hat im Jahre 1745 einen Bericht davon aufgesezt, dessen vornehmste Umstaͤnde im Monat Julius des <hi rendition="#b">Journal encyclopedique</hi> vom Jahre 1762 zu finden sind. Wenn sich Negretti des Nachts im Vorzimmer auf einen Stuhl gesetzt hatte, schlief er ein, und brachte eine Viertelstunde ruhig schlafend zu. Er richtete sich sodann sitzend in die Hoͤhe, und blieb in dieser Stellung unbeweglich, nicht anders, als ob er nach etwas saͤhe. Endlich stand er auf, ging im Zimmer herum, zog eine Schnupftabacksdose aus der Tasche, und wollte eine Prise nehmen. Da er aber nicht viel darinn fand, stellte er sich erboßt an, gieng zu einem Stuhle, auf welchem ein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0070]
Er stuͤrzte sich aus einem hohen Fenster, brach den Arm, und seit der Zeit wurde er nicht mehr von seiner Krankheit befallen.«
Der seltsamste Nachtwandler, den man noch gefunden hat, ist ein gewisser Johann Baptist Negretti von Vicenza, bei dem Marquis Ludewig Sale ehemals in Diensten. Er war ein schwarzbrauner Mensch; hatte einen sehr trockenen Koͤrper, war hitzig, zornig und betrank sich gern. Er war seit dem eilften Jahre mondsuͤchtig gewesen; doch kamen die Anfaͤlle nur im Maͤrz, und dauerten hoͤchstens bis in die Haͤlfte des Aprils. Die Herren Reghelim und Pigatti machten sich ein Vergnuͤgen, seinen Zustand genau zu beobachten. Der leztere hat im Jahre 1745 einen Bericht davon aufgesezt, dessen vornehmste Umstaͤnde im Monat Julius des Journal encyclopedique vom Jahre 1762 zu finden sind. Wenn sich Negretti des Nachts im Vorzimmer auf einen Stuhl gesetzt hatte, schlief er ein, und brachte eine Viertelstunde ruhig schlafend zu. Er richtete sich sodann sitzend in die Hoͤhe, und blieb in dieser Stellung unbeweglich, nicht anders, als ob er nach etwas saͤhe. Endlich stand er auf, ging im Zimmer herum, zog eine Schnupftabacksdose aus der Tasche, und wollte eine Prise nehmen. Da er aber nicht viel darinn fand, stellte er sich erboßt an, gieng zu einem Stuhle, auf welchem ein
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/70>, abgerufen am 23.06.2024. |