Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0055" n="55"/><lb/> laͤnglichkeit der Galgenbuße, interessant. Voͤllig ungeruͤhrt, und mit kindischem Leichtsinn flatterten seine Augen vom Wagen unter den begleitenden Haufen herum. Vier Geistliche sangen mitlerweile fleißig, und das Chor Waisenhaͤuser Schuͤler ging mit hellem Klange voran; er wurde oft ermahnt mit zu singen, allein seine Thierseele konnte diesmal nichts als umher sehen, als suchte er sich der Last des Singens zu entledigen, und sich zum letztenmale schadlos zu halten. Jch beklagte bei dieser Gelegenheit die wuͤrdigen Geistlichen seine Begleiter, und wuͤnschte zur Ehre ihres Berufs, daß dieses die lezte Begleitung solcher Menschen seyn moͤchte. Und nun war der Galgen nahe, wo der Elende seinen ungluͤcklichen durch eigne Schuld verwahrloseten unheilbar erkrankten Geist aufgeben sollte. — Philipp ich wuͤnsche dir eine gute Hinfahrt! rief der anwesende General mit vielem Effect nur nicht fuͤr Philipp, als er vom Wagen in den eroͤfneten Kreis trat. Dieser Wunsch erbitterte sichtbarlich Gerings wachen Geist. Die Verlesung des Urtheils spornte ihn darauf an mit funkelnden ergrimmten Blicken seine Schritte zu seiner lezten Gesellschaft der Henker zu verdoppeln. Da ward an keine gefaltete Hand gedacht, und die Thraͤne der Verstellung die er ehedem weinte, saß da fest, denn Reue, Wehmuth, Schmerz uͤber verdientes Elend kannte er nicht! Muthig ließ er sich hinauf ziehen in die toͤdtliche Hoͤhe des schimpflichen Holtzes; wie Belial<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0055]
laͤnglichkeit der Galgenbuße, interessant. Voͤllig ungeruͤhrt, und mit kindischem Leichtsinn flatterten seine Augen vom Wagen unter den begleitenden Haufen herum. Vier Geistliche sangen mitlerweile fleißig, und das Chor Waisenhaͤuser Schuͤler ging mit hellem Klange voran; er wurde oft ermahnt mit zu singen, allein seine Thierseele konnte diesmal nichts als umher sehen, als suchte er sich der Last des Singens zu entledigen, und sich zum letztenmale schadlos zu halten. Jch beklagte bei dieser Gelegenheit die wuͤrdigen Geistlichen seine Begleiter, und wuͤnschte zur Ehre ihres Berufs, daß dieses die lezte Begleitung solcher Menschen seyn moͤchte. Und nun war der Galgen nahe, wo der Elende seinen ungluͤcklichen durch eigne Schuld verwahrloseten unheilbar erkrankten Geist aufgeben sollte. — Philipp ich wuͤnsche dir eine gute Hinfahrt! rief der anwesende General mit vielem Effect nur nicht fuͤr Philipp, als er vom Wagen in den eroͤfneten Kreis trat. Dieser Wunsch erbitterte sichtbarlich Gerings wachen Geist. Die Verlesung des Urtheils spornte ihn darauf an mit funkelnden ergrimmten Blicken seine Schritte zu seiner lezten Gesellschaft der Henker zu verdoppeln. Da ward an keine gefaltete Hand gedacht, und die Thraͤne der Verstellung die er ehedem weinte, saß da fest, denn Reue, Wehmuth, Schmerz uͤber verdientes Elend kannte er nicht! Muthig ließ er sich hinauf ziehen in die toͤdtliche Hoͤhe des schimpflichen Holtzes; wie Belial
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