Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0054" n="54"/><lb/> kraftvollen biblischen Worten anredete, aber unverhoft eine witzig angebrachte Replic aus dem A. T. erhielt, die sein Herz so wie seinen Kopf kennbar machten. Das alte Schloß Sparenberg wurde nun seine lezte Wohnung. Scham uͤber seine gottlose Verstellung kannte er nicht, kein demuͤthiger Blick bezaͤhmte sein freches Auge, als er seine verlaßne Wohnung und gehabte Bekanntschaft wieder sah. Gering, Gering rief bei seiner Ankunft ein sehr wuͤrdiger junger Officier ihm zu, ihr betruͤgt euch, wie wirds mit euch werden! Gottes Barmherzigkeit ist unendlich; ich habe viel gesuͤndigt, aber bei Gott ist viel Erbarmen, war seine Antwort — natuͤrlich, wie seine Grundsaͤtze so die Sprache, in denen er wie schon gesagt bestaͤrkt worden war. Wenn er in seinem Gefaͤngniß besucht wurde, bat er Platz zu nehmen, und machte die Honoͤrs; begafte ihn der Poͤbel, so fuͤllten die zotigsten Poͤbelein, die garstigsten Raͤnke und Erzehlungen seine Gespraͤche; noch Tages vor seiner Execution aß er mit gierigstem Appetit, und seine Seele empfand nichts als — den Geschmack. Zwey Tage vor seiner Hinrichtung ließ er mich durch einen Menschen aus meiner Gemeinde bitten, ihn noch einmal zu besuchen; ich fand aber keinen Beruf, das Werk der Bekehrung an ihm zu versuchen und ihn zu bessern mich zu schwach, wozu er auch nicht gebracht seyn wuͤrde. Seine Hinreise nach dem Ort der Execution war feierlich, und in Absicht meiner Meinung von Unzu-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0054]
kraftvollen biblischen Worten anredete, aber unverhoft eine witzig angebrachte Replic aus dem A. T. erhielt, die sein Herz so wie seinen Kopf kennbar machten. Das alte Schloß Sparenberg wurde nun seine lezte Wohnung. Scham uͤber seine gottlose Verstellung kannte er nicht, kein demuͤthiger Blick bezaͤhmte sein freches Auge, als er seine verlaßne Wohnung und gehabte Bekanntschaft wieder sah. Gering, Gering rief bei seiner Ankunft ein sehr wuͤrdiger junger Officier ihm zu, ihr betruͤgt euch, wie wirds mit euch werden! Gottes Barmherzigkeit ist unendlich; ich habe viel gesuͤndigt, aber bei Gott ist viel Erbarmen, war seine Antwort — natuͤrlich, wie seine Grundsaͤtze so die Sprache, in denen er wie schon gesagt bestaͤrkt worden war. Wenn er in seinem Gefaͤngniß besucht wurde, bat er Platz zu nehmen, und machte die Honoͤrs; begafte ihn der Poͤbel, so fuͤllten die zotigsten Poͤbelein, die garstigsten Raͤnke und Erzehlungen seine Gespraͤche; noch Tages vor seiner Execution aß er mit gierigstem Appetit, und seine Seele empfand nichts als — den Geschmack. Zwey Tage vor seiner Hinrichtung ließ er mich durch einen Menschen aus meiner Gemeinde bitten, ihn noch einmal zu besuchen; ich fand aber keinen Beruf, das Werk der Bekehrung an ihm zu versuchen und ihn zu bessern mich zu schwach, wozu er auch nicht gebracht seyn wuͤrde. Seine Hinreise nach dem Ort der Execution war feierlich, und in Absicht meiner Meinung von Unzu-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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