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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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welcher Einschränkung moralische als physische Uebel nothwendig erfolgen müssen, und auch nach dem unübersehbaren Plane des Ewigen zum Besten seiner Welt erfolgen sollten. Das Vermögen, die Kraft, die der Mensch zum Bösen frey hat, bestimmt ihn aber durchaus nicht, irgend eine böse Neigung bey sich herrschend werden zu laßen, sonst würde sein natürliches Seelentemperament einen nothwendigen Einfluß in seinen sittlichen Character haben, den es doch nothwendig nicht hat, noch haben kann; dies beweiset schon die bekannte Geschichte in Socratis Leben. Selbst der moralische Character des Menschen würde aufgehoben, wenn er nothwendig durch Natur gezwungen, in eine böse Neigung, die Unglük für ihn wird, willigen müßte. Freyer Wille, der des Menschen Moralität allein bestimmt, und angebohrne schlechte Neigungen oder ein böses Herz die elend machen, laßen sich nicht bei einander gedenken. Angebohren ist gezwungen, es ist Grundtrieb und determiniret meinen Willen, so lange die Seele ihre Herrschaft noch hat. Wäre irgend ein Mensch durch die ursprüngliche Beschaffenheit seines Seelentemperaments zu gewissen unedlen Neigungen gezwungen, oder auch durch das Temperament des Körpers, so würde seine moralische Unvollkommenheit in Ewigkeit wachsen, und so unaufhörlich fort aller Verbesserung unfähig bleiben, oder Gott müßte das Wesen der Seele selbst umschaffen und das wird er doch nicht. Das böse


welcher Einschraͤnkung moralische als physische Uebel nothwendig erfolgen muͤssen, und auch nach dem unuͤbersehbaren Plane des Ewigen zum Besten seiner Welt erfolgen sollten. Das Vermoͤgen, die Kraft, die der Mensch zum Boͤsen frey hat, bestimmt ihn aber durchaus nicht, irgend eine boͤse Neigung bey sich herrschend werden zu laßen, sonst wuͤrde sein natuͤrliches Seelentemperament einen nothwendigen Einfluß in seinen sittlichen Character haben, den es doch nothwendig nicht hat, noch haben kann; dies beweiset schon die bekannte Geschichte in Socratis Leben. Selbst der moralische Character des Menschen wuͤrde aufgehoben, wenn er nothwendig durch Natur gezwungen, in eine boͤse Neigung, die Ungluͤk fuͤr ihn wird, willigen muͤßte. Freyer Wille, der des Menschen Moralitaͤt allein bestimmt, und angebohrne schlechte Neigungen oder ein boͤses Herz die elend machen, laßen sich nicht bei einander gedenken. Angebohren ist gezwungen, es ist Grundtrieb und determiniret meinen Willen, so lange die Seele ihre Herrschaft noch hat. Waͤre irgend ein Mensch durch die urspruͤngliche Beschaffenheit seines Seelentemperaments zu gewissen unedlen Neigungen gezwungen, oder auch durch das Temperament des Koͤrpers, so wuͤrde seine moralische Unvollkommenheit in Ewigkeit wachsen, und so unaufhoͤrlich fort aller Verbesserung unfaͤhig bleiben, oder Gott muͤßte das Wesen der Seele selbst umschaffen und das wird er doch nicht. Das boͤse

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[41/0041] welcher Einschraͤnkung moralische als physische Uebel nothwendig erfolgen muͤssen, und auch nach dem unuͤbersehbaren Plane des Ewigen zum Besten seiner Welt erfolgen sollten. Das Vermoͤgen, die Kraft, die der Mensch zum Boͤsen frey hat, bestimmt ihn aber durchaus nicht, irgend eine boͤse Neigung bey sich herrschend werden zu laßen, sonst wuͤrde sein natuͤrliches Seelentemperament einen nothwendigen Einfluß in seinen sittlichen Character haben, den es doch nothwendig nicht hat, noch haben kann; dies beweiset schon die bekannte Geschichte in Socratis Leben. Selbst der moralische Character des Menschen wuͤrde aufgehoben, wenn er nothwendig durch Natur gezwungen, in eine boͤse Neigung, die Ungluͤk fuͤr ihn wird, willigen muͤßte. Freyer Wille, der des Menschen Moralitaͤt allein bestimmt, und angebohrne schlechte Neigungen oder ein boͤses Herz die elend machen, laßen sich nicht bei einander gedenken. Angebohren ist gezwungen, es ist Grundtrieb und determiniret meinen Willen, so lange die Seele ihre Herrschaft noch hat. Waͤre irgend ein Mensch durch die urspruͤngliche Beschaffenheit seines Seelentemperaments zu gewissen unedlen Neigungen gezwungen, oder auch durch das Temperament des Koͤrpers, so wuͤrde seine moralische Unvollkommenheit in Ewigkeit wachsen, und so unaufhoͤrlich fort aller Verbesserung unfaͤhig bleiben, oder Gott muͤßte das Wesen der Seele selbst umschaffen und das wird er doch nicht. Das boͤse

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/41>, abgerufen am 24.04.2024.