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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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"wuste sie auch, daß es in der Gegend viele Officiers gab, daß folglich ein Officier ihm wahrscheinlich zu Hülfe kommen würde.

Nach diesen in der Erzählung selbst gegründeten Voraussetzungen erkläre ich nun nun alles sehr natürlich so: Die Dame schlief mit großer Bekümmerniß um ihren Gemahl ein; vermuthlich hatten die Worte des Briefes, es wäre kein Anschein von Gefahr da, diese noch lebhafter gemacht; denn wo man etwas sehr fürchtet, da nimmt man selbst aus den Gründen, nichts zu fürchten, Furcht her. Nach dem Briefe wuste sie, von wo ihr Gemahl zulezt ausgereiset war, und da sie die Gegenden kannte, vielleicht auch aus andern Nachrichten wuste, daß es bei einer gewissen Quelle unter gewissen Bäumen nicht sicher wäre: so sezte sie da die Scene des Todes hin. Oder auch vielleicht waren auf dem Wege sonst keine Bäume, als bei der Quelle, und unter den Bäumen mußte doch nach der Natur der Dinge der Mord eher geschehen, als im freien Felde. Weil sich in der Gegend Truppen aufhielten, weil die Dame von einem Officier eher Beistand als von einem andern vermuthen konnte: so sezte ihre Phantasie einen Officier zum Beistand. Dieser Officier hatte ein blaues Kleid, weil die Dame wuste, daß es so gekleidete Officiers da gab. Daß sie die Wunde ihres Mannes in die Seite sezte, kam vielleicht aus der Art, wie sie sich die Angreifer und den Angriff vorstellte, die man uns aber nicht be-


"wuste sie auch, daß es in der Gegend viele Officiers gab, daß folglich ein Officier ihm wahrscheinlich zu Huͤlfe kommen wuͤrde.

Nach diesen in der Erzaͤhlung selbst gegruͤndeten Voraussetzungen erklaͤre ich nun nun alles sehr natuͤrlich so: Die Dame schlief mit großer Bekuͤmmerniß um ihren Gemahl ein; vermuthlich hatten die Worte des Briefes, es waͤre kein Anschein von Gefahr da, diese noch lebhafter gemacht; denn wo man etwas sehr fuͤrchtet, da nimmt man selbst aus den Gruͤnden, nichts zu fuͤrchten, Furcht her. Nach dem Briefe wuste sie, von wo ihr Gemahl zulezt ausgereiset war, und da sie die Gegenden kannte, vielleicht auch aus andern Nachrichten wuste, daß es bei einer gewissen Quelle unter gewissen Baͤumen nicht sicher waͤre: so sezte sie da die Scene des Todes hin. Oder auch vielleicht waren auf dem Wege sonst keine Baͤume, als bei der Quelle, und unter den Baͤumen mußte doch nach der Natur der Dinge der Mord eher geschehen, als im freien Felde. Weil sich in der Gegend Truppen aufhielten, weil die Dame von einem Officier eher Beistand als von einem andern vermuthen konnte: so sezte ihre Phantasie einen Officier zum Beistand. Dieser Officier hatte ein blaues Kleid, weil die Dame wuste, daß es so gekleidete Officiers da gab. Daß sie die Wunde ihres Mannes in die Seite sezte, kam vielleicht aus der Art, wie sie sich die Angreifer und den Angriff vorstellte, die man uns aber nicht be-

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[15/0015] "wuste sie auch, daß es in der Gegend viele Officiers gab, daß folglich ein Officier ihm wahrscheinlich zu Huͤlfe kommen wuͤrde. Nach diesen in der Erzaͤhlung selbst gegruͤndeten Voraussetzungen erklaͤre ich nun nun alles sehr natuͤrlich so: Die Dame schlief mit großer Bekuͤmmerniß um ihren Gemahl ein; vermuthlich hatten die Worte des Briefes, es waͤre kein Anschein von Gefahr da, diese noch lebhafter gemacht; denn wo man etwas sehr fuͤrchtet, da nimmt man selbst aus den Gruͤnden, nichts zu fuͤrchten, Furcht her. Nach dem Briefe wuste sie, von wo ihr Gemahl zulezt ausgereiset war, und da sie die Gegenden kannte, vielleicht auch aus andern Nachrichten wuste, daß es bei einer gewissen Quelle unter gewissen Baͤumen nicht sicher waͤre: so sezte sie da die Scene des Todes hin. Oder auch vielleicht waren auf dem Wege sonst keine Baͤume, als bei der Quelle, und unter den Baͤumen mußte doch nach der Natur der Dinge der Mord eher geschehen, als im freien Felde. Weil sich in der Gegend Truppen aufhielten, weil die Dame von einem Officier eher Beistand als von einem andern vermuthen konnte: so sezte ihre Phantasie einen Officier zum Beistand. Dieser Officier hatte ein blaues Kleid, weil die Dame wuste, daß es so gekleidete Officiers da gab. Daß sie die Wunde ihres Mannes in die Seite sezte, kam vielleicht aus der Art, wie sie sich die Angreifer und den Angriff vorstellte, die man uns aber nicht be-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/15>, abgerufen am 25.04.2024.