Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


Herrn Professor Tiedemanns beifügen, die er von diesem Traume in seinen Untersuchungen über den Menschen Theil III. S. 240 dem Publico mitgetheilt hat:

Das, was nach der Erzählung Wunderbares in dem Traume ist, ist folgendes: die Dame träumt noch an eben dem Abend vom Tode ihres Gemahls, da sie doch einen Brief von seinem Wohlseyn empfangen hat; sie sieht im Traume den Ort, wo er ermordet ist; sie wird auch den Officier gewahr, der ihm beigestanden hat, und erkennt ihn hernach, ohne ihn vorher gesehen zu haben; sie erblikt endlich ganz genau die Art, wie er verwundet wurde, und daß der Officier ihn aus seinem Hute tränkte. Dies Wunderbare verschwindet, so bald man annimmt: daß die Dame die Gegenden alle genau kannte; daß sie Gefahr zu besorgen Ursache hatte; daß endlich auch der Zufall seine Rolle dabei zu spielen nicht unterließ.

Dies anzunehmen berechtigt mich die Erzählung selbst. Der Mann schrieb: es hätte nicht das Ansehen, daß er Gefahr laufen würde: also war er in einer gefährlichen Gegend, also kannte die Dame die Art von Gefahr, die zu besorgen war, und auch die Gegend, wo sie zu besorgen war. Der Mann hatte den Abend vorher geschrieben, wo er zulezt gewesen war: hieraus also konnte die Dame leicht berechnen, wo er von da hingekommen, durch welche Wege er dahin gekommen war. Ohne Zweifel


Herrn Professor Tiedemanns beifuͤgen, die er von diesem Traume in seinen Untersuchungen uͤber den Menschen Theil III. S. 240 dem Publico mitgetheilt hat:

Das, was nach der Erzaͤhlung Wunderbares in dem Traume ist, ist folgendes: die Dame traͤumt noch an eben dem Abend vom Tode ihres Gemahls, da sie doch einen Brief von seinem Wohlseyn empfangen hat; sie sieht im Traume den Ort, wo er ermordet ist; sie wird auch den Officier gewahr, der ihm beigestanden hat, und erkennt ihn hernach, ohne ihn vorher gesehen zu haben; sie erblikt endlich ganz genau die Art, wie er verwundet wurde, und daß der Officier ihn aus seinem Hute traͤnkte. Dies Wunderbare verschwindet, so bald man annimmt: daß die Dame die Gegenden alle genau kannte; daß sie Gefahr zu besorgen Ursache hatte; daß endlich auch der Zufall seine Rolle dabei zu spielen nicht unterließ.

Dies anzunehmen berechtigt mich die Erzaͤhlung selbst. Der Mann schrieb: es haͤtte nicht das Ansehen, daß er Gefahr laufen wuͤrde: also war er in einer gefaͤhrlichen Gegend, also kannte die Dame die Art von Gefahr, die zu besorgen war, und auch die Gegend, wo sie zu besorgen war. Der Mann hatte den Abend vorher geschrieben, wo er zulezt gewesen war: hieraus also konnte die Dame leicht berechnen, wo er von da hingekommen, durch welche Wege er dahin gekommen war. Ohne Zweifel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="14"/><lb/>
Herrn Professor <hi rendition="#b">Tiedemanns</hi> beifu&#x0364;gen, die er von diesem Traume in                         seinen Untersuchungen u&#x0364;ber den Menschen Theil <hi rendition="#aq">III</hi>. S. 240 dem Publico                         mitgetheilt hat:</p>
          <p>Das, was nach der Erza&#x0364;hlung Wunderbares in dem Traume ist, ist folgendes: die                         Dame tra&#x0364;umt noch an eben dem Abend vom Tode ihres Gemahls, da sie doch einen                         Brief von seinem Wohlseyn empfangen hat; sie sieht im Traume den Ort, wo er                         ermordet ist; sie wird auch den Officier gewahr, der ihm beigestanden hat,                         und erkennt ihn hernach, ohne ihn vorher gesehen zu haben; sie erblikt                         endlich ganz genau die Art, wie er verwundet wurde, und daß der Officier ihn                         aus seinem Hute tra&#x0364;nkte. Dies Wunderbare verschwindet, so bald man annimmt: <hi rendition="#b">daß die Dame die Gegenden alle genau kannte; daß sie                             Gefahr zu besorgen Ursache hatte; daß endlich auch der Zufall seine                             Rolle dabei zu spielen nicht unterließ.</hi> </p>
          <p>Dies anzunehmen berechtigt mich die Erza&#x0364;hlung selbst. Der Mann schrieb: es                         ha&#x0364;tte nicht das Ansehen, daß er Gefahr laufen wu&#x0364;rde: also war er in einer                         gefa&#x0364;hrlichen Gegend, also kannte die Dame die Art von Gefahr, die zu                         besorgen war, und auch die Gegend, wo sie zu besorgen war. Der Mann hatte                         den Abend vorher geschrieben, wo er zulezt gewesen war: hieraus also konnte                         die Dame leicht berechnen, wo er von da hingekommen, durch welche Wege er                         dahin gekommen war. Ohne Zweifel<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0014] Herrn Professor Tiedemanns beifuͤgen, die er von diesem Traume in seinen Untersuchungen uͤber den Menschen Theil III. S. 240 dem Publico mitgetheilt hat: Das, was nach der Erzaͤhlung Wunderbares in dem Traume ist, ist folgendes: die Dame traͤumt noch an eben dem Abend vom Tode ihres Gemahls, da sie doch einen Brief von seinem Wohlseyn empfangen hat; sie sieht im Traume den Ort, wo er ermordet ist; sie wird auch den Officier gewahr, der ihm beigestanden hat, und erkennt ihn hernach, ohne ihn vorher gesehen zu haben; sie erblikt endlich ganz genau die Art, wie er verwundet wurde, und daß der Officier ihn aus seinem Hute traͤnkte. Dies Wunderbare verschwindet, so bald man annimmt: daß die Dame die Gegenden alle genau kannte; daß sie Gefahr zu besorgen Ursache hatte; daß endlich auch der Zufall seine Rolle dabei zu spielen nicht unterließ. Dies anzunehmen berechtigt mich die Erzaͤhlung selbst. Der Mann schrieb: es haͤtte nicht das Ansehen, daß er Gefahr laufen wuͤrde: also war er in einer gefaͤhrlichen Gegend, also kannte die Dame die Art von Gefahr, die zu besorgen war, und auch die Gegend, wo sie zu besorgen war. Der Mann hatte den Abend vorher geschrieben, wo er zulezt gewesen war: hieraus also konnte die Dame leicht berechnen, wo er von da hingekommen, durch welche Wege er dahin gekommen war. Ohne Zweifel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/14
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/14>, abgerufen am 22.11.2024.