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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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lichen Bekehrung verlangt. Keine Betrachtungen rührten ihn so sehr, als die Betrachtungen der allzeit erfahrnen göttlichen Güte, und der Leidensgeschichte, besonders auch der letzten Worte, seines Erlösers; sein liebstes Lied, womit er sich auch aus seiner Haft heraus zu seiner Hinrichtung führen ließ, war das Libichische: "Jch werfe mich in deine Hände etc."

"Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbrüche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigeren Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thränen. Jch glaube auch, daß es zu viel gefordert sey, von allen Gemüthsarten jene heftigern Ausdrücke zu verlangen, ob es mich gleich nicht befremdet, daß auch zum Theil denen, die an seiner letzten Bereitung arbeiteten, dieses Betragen eine Zeitlang zweideutig, und Simmens Gemüthszustand räthselhaft oder verdächtig vorkam. Es läßt sich nichts anders vermuthen, als daß er sich bei ungleicher Behandlung etwas ungleich gewesen seyn, daß sein Herz sich bei einem rauhen Ton verschlossen, bei der Stimme des Mittleids und Wohlwollens aber geöffnet haben müsse; denn so ganz und so geschwind konnte er wohl alle Empfindlichkeit seines Characters nicht ablegen; oder so lange er noch zwischen Furcht und Hoffnung schwebte, immer ganz derselbe seyn."



lichen Bekehrung verlangt. Keine Betrachtungen ruͤhrten ihn so sehr, als die Betrachtungen der allzeit erfahrnen goͤttlichen Guͤte, und der Leidensgeschichte, besonders auch der letzten Worte, seines Erloͤsers; sein liebstes Lied, womit er sich auch aus seiner Haft heraus zu seiner Hinrichtung fuͤhren ließ, war das Libichische: »Jch werfe mich in deine Haͤnde etc.«

»Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbruͤche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigeren Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thraͤnen. Jch glaube auch, daß es zu viel gefordert sey, von allen Gemuͤthsarten jene heftigern Ausdruͤcke zu verlangen, ob es mich gleich nicht befremdet, daß auch zum Theil denen, die an seiner letzten Bereitung arbeiteten, dieses Betragen eine Zeitlang zweideutig, und Simmens Gemuͤthszustand raͤthselhaft oder verdaͤchtig vorkam. Es laͤßt sich nichts anders vermuthen, als daß er sich bei ungleicher Behandlung etwas ungleich gewesen seyn, daß sein Herz sich bei einem rauhen Ton verschlossen, bei der Stimme des Mittleids und Wohlwollens aber geoͤffnet haben muͤsse; denn so ganz und so geschwind konnte er wohl alle Empfindlichkeit seines Characters nicht ablegen; oder so lange er noch zwischen Furcht und Hoffnung schwebte, immer ganz derselbe seyn.«


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[59/0061] lichen Bekehrung verlangt. Keine Betrachtungen ruͤhrten ihn so sehr, als die Betrachtungen der allzeit erfahrnen goͤttlichen Guͤte, und der Leidensgeschichte, besonders auch der letzten Worte, seines Erloͤsers; sein liebstes Lied, womit er sich auch aus seiner Haft heraus zu seiner Hinrichtung fuͤhren ließ, war das Libichische: »Jch werfe mich in deine Haͤnde etc.« »Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbruͤche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigeren Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thraͤnen. Jch glaube auch, daß es zu viel gefordert sey, von allen Gemuͤthsarten jene heftigern Ausdruͤcke zu verlangen, ob es mich gleich nicht befremdet, daß auch zum Theil denen, die an seiner letzten Bereitung arbeiteten, dieses Betragen eine Zeitlang zweideutig, und Simmens Gemuͤthszustand raͤthselhaft oder verdaͤchtig vorkam. Es laͤßt sich nichts anders vermuthen, als daß er sich bei ungleicher Behandlung etwas ungleich gewesen seyn, daß sein Herz sich bei einem rauhen Ton verschlossen, bei der Stimme des Mittleids und Wohlwollens aber geoͤffnet haben muͤsse; denn so ganz und so geschwind konnte er wohl alle Empfindlichkeit seines Characters nicht ablegen; oder so lange er noch zwischen Furcht und Hoffnung schwebte, immer ganz derselbe seyn.«

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/61>, abgerufen am 28.11.2024.