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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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zwingung, als Kunst, den Unschuldigen, den Unerschrockenen sogleich wieder vorstellen konnte? Aber hier erfuhr er auch wohl zum erstenmal die Kraft des Gewissens recht; bisher hatte es ihn beunruhigt, erschreckt, zitternd gemacht; aber zum freien Geständniß hätte es ihn, ohne diese Ueberraschung, vielleicht niemals, oder etwa erst an der Schwelle des Todes gebracht. Wenn er dem Gerichte bekannte, er sey entschlossen gewesen, ihm freiwillig sein Verbrechen zu bekennen, so betrog er sich wohl selbst dabei; er hielt Trieb und Drang seines Herzens, zu bekennen, für Entschluß; aber von demselben würde er sich wohl noch lange losgewunden haben, wenn er nicht so überrascht worden wäre, nicht so schnelle Eindrücke von der ihn verfolgenden göttlichen Gerechtigkeit bekommen hätte; und Peinlichkeiten selbst, wenn auch die vorliegenden Anzeigen für stark genug darzu geachtet worden wären, dürften ihn hernach schwerlich zum Bekenntniß gebracht haben, wenn er vermögend gewesen wäre, sich auch hier noch zu verhärten. Er erkannte das auch selbst nachher, und seine Entdeckung für göttliche Wohlthat; ich würde sonst noch viel verstockter und viel verwegener geworden seyn, war sein Ausdruck davon gegen seinen Beichtvater, dem ich die Nachrichten von seinen letzten Wochen und Todesbereitung, so wie mehr andre, verdanke, die mir sonst unbekannt geblieben seyn würden."



zwingung, als Kunst, den Unschuldigen, den Unerschrockenen sogleich wieder vorstellen konnte? Aber hier erfuhr er auch wohl zum erstenmal die Kraft des Gewissens recht; bisher hatte es ihn beunruhigt, erschreckt, zitternd gemacht; aber zum freien Gestaͤndniß haͤtte es ihn, ohne diese Ueberraschung, vielleicht niemals, oder etwa erst an der Schwelle des Todes gebracht. Wenn er dem Gerichte bekannte, er sey entschlossen gewesen, ihm freiwillig sein Verbrechen zu bekennen, so betrog er sich wohl selbst dabei; er hielt Trieb und Drang seines Herzens, zu bekennen, fuͤr Entschluß; aber von demselben wuͤrde er sich wohl noch lange losgewunden haben, wenn er nicht so uͤberrascht worden waͤre, nicht so schnelle Eindruͤcke von der ihn verfolgenden goͤttlichen Gerechtigkeit bekommen haͤtte; und Peinlichkeiten selbst, wenn auch die vorliegenden Anzeigen fuͤr stark genug darzu geachtet worden waͤren, duͤrften ihn hernach schwerlich zum Bekenntniß gebracht haben, wenn er vermoͤgend gewesen waͤre, sich auch hier noch zu verhaͤrten. Er erkannte das auch selbst nachher, und seine Entdeckung fuͤr goͤttliche Wohlthat; ich wuͤrde sonst noch viel verstockter und viel verwegener geworden seyn, war sein Ausdruck davon gegen seinen Beichtvater, dem ich die Nachrichten von seinen letzten Wochen und Todesbereitung, so wie mehr andre, verdanke, die mir sonst unbekannt geblieben seyn wuͤrden.«


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[54/0056] zwingung, als Kunst, den Unschuldigen, den Unerschrockenen sogleich wieder vorstellen konnte? Aber hier erfuhr er auch wohl zum erstenmal die Kraft des Gewissens recht; bisher hatte es ihn beunruhigt, erschreckt, zitternd gemacht; aber zum freien Gestaͤndniß haͤtte es ihn, ohne diese Ueberraschung, vielleicht niemals, oder etwa erst an der Schwelle des Todes gebracht. Wenn er dem Gerichte bekannte, er sey entschlossen gewesen, ihm freiwillig sein Verbrechen zu bekennen, so betrog er sich wohl selbst dabei; er hielt Trieb und Drang seines Herzens, zu bekennen, fuͤr Entschluß; aber von demselben wuͤrde er sich wohl noch lange losgewunden haben, wenn er nicht so uͤberrascht worden waͤre, nicht so schnelle Eindruͤcke von der ihn verfolgenden goͤttlichen Gerechtigkeit bekommen haͤtte; und Peinlichkeiten selbst, wenn auch die vorliegenden Anzeigen fuͤr stark genug darzu geachtet worden waͤren, duͤrften ihn hernach schwerlich zum Bekenntniß gebracht haben, wenn er vermoͤgend gewesen waͤre, sich auch hier noch zu verhaͤrten. Er erkannte das auch selbst nachher, und seine Entdeckung fuͤr goͤttliche Wohlthat; ich wuͤrde sonst noch viel verstockter und viel verwegener geworden seyn, war sein Ausdruck davon gegen seinen Beichtvater, dem ich die Nachrichten von seinen letzten Wochen und Todesbereitung, so wie mehr andre, verdanke, die mir sonst unbekannt geblieben seyn wuͤrden.«

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/56>, abgerufen am 28.11.2024.