Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Das erste Stück des vierten Bandes enthielt lauter Erzählungen von Seelenkrankheiten; das zweite hingegen des nehmlichen Bandes hat destomehr Aufsätze, die zur Seelennaturkunde gehören. Seite 42ff. 4. B. 2. St. befinden sich einige an einem Taubstummen gemachte Beobachtungen, vom Herrn F.A. Wallroth. Ein sehr interessanter und lesenswürdiger Aufsatz, der manche wichtige Aufschlüsse über die sonderbare Jdeenentwickelung in der Seele der Taubstummen enthält, und die Eigenheit ihres oft eben so sonderbaren Charakters in einzelnen Stücken sehr gut darstellt. "Der taubstummgeborne arme Mensch, dessen hier gedacht wird, war zwar in seiner Jugend in die Schule geschickt worden; allein seine Lehrer hatten theils nicht Zeit, theils nicht Lust genug gehabt, sich mit ihm besonders abzugeben, weil sie sich selbst keinen glücklichen Erfolg ihrer Arbeiten versprachen. Sein Verstand blieb also unaufgeklärt, und man fing nur alsdann erst an, ihm etwas als sündlich vorzustellen, wenn er es schon begangen hatte, und um so viel mehr, sagt der Herr Verfasser, scheint sein Betragen die Aufmerksamkeit des Psychologen zu verdienen. Die Gelegenheit, wie dieser Mensch zuerst auf die Jdee von dem Daseyn einer Gottheit kam, war sehr besonders,
Das erste Stuͤck des vierten Bandes enthielt lauter Erzaͤhlungen von Seelenkrankheiten; das zweite hingegen des nehmlichen Bandes hat destomehr Aufsaͤtze, die zur Seelennaturkunde gehoͤren. Seite 42ff. 4. B. 2. St. befinden sich einige an einem Taubstummen gemachte Beobachtungen, vom Herrn F.A. Wallroth. Ein sehr interessanter und lesenswuͤrdiger Aufsatz, der manche wichtige Aufschluͤsse uͤber die sonderbare Jdeenentwickelung in der Seele der Taubstummen enthaͤlt, und die Eigenheit ihres oft eben so sonderbaren Charakters in einzelnen Stuͤcken sehr gut darstellt. »Der taubstummgeborne arme Mensch, dessen hier gedacht wird, war zwar in seiner Jugend in die Schule geschickt worden; allein seine Lehrer hatten theils nicht Zeit, theils nicht Lust genug gehabt, sich mit ihm besonders abzugeben, weil sie sich selbst keinen gluͤcklichen Erfolg ihrer Arbeiten versprachen. Sein Verstand blieb also unaufgeklaͤrt, und man fing nur alsdann erst an, ihm etwas als suͤndlich vorzustellen, wenn er es schon begangen hatte, und um so viel mehr, sagt der Herr Verfasser, scheint sein Betragen die Aufmerksamkeit des Psychologen zu verdienen. Die Gelegenheit, wie dieser Mensch zuerst auf die Jdee von dem Daseyn einer Gottheit kam, war sehr besonders, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="2"/><lb/><hi rendition="#b">Seelennaturkunde,</hi> vorkommen, und hier und da eine genauere Beleuchtung erfordern, als ihnen die Herren Einsender gegeben haben.</p> <p>Das erste Stuͤck des vierten Bandes enthielt lauter Erzaͤhlungen von Seelenkrankheiten; das zweite hingegen des nehmlichen Bandes hat destomehr Aufsaͤtze, die zur Seelennaturkunde gehoͤren.</p> <p>Seite 42ff. 4. B. 2. St. befinden sich <hi rendition="#b">einige an einem Taubstummen gemachte Beobachtungen, vom Herrn <persName ref="#ref0004"><note type="editorial">Wallroth, Friedrich Heinrich Anton</note>F.A. Wallroth.</persName> </hi> Ein sehr interessanter und lesenswuͤrdiger Aufsatz, der manche wichtige Aufschluͤsse uͤber die sonderbare Jdeenentwickelung in der Seele der Taubstummen enthaͤlt, und die Eigenheit ihres oft eben so sonderbaren Charakters in einzelnen Stuͤcken sehr gut darstellt. »Der taubstummgeborne arme Mensch, dessen hier gedacht wird, war zwar in seiner Jugend in die Schule geschickt worden; allein seine Lehrer hatten theils nicht Zeit, theils nicht Lust genug gehabt, sich mit ihm besonders abzugeben, weil sie sich selbst keinen gluͤcklichen Erfolg ihrer Arbeiten versprachen. Sein Verstand blieb also unaufgeklaͤrt, und man fing nur alsdann erst an, ihm etwas als suͤndlich vorzustellen, wenn er es schon begangen hatte, und um so viel mehr, sagt der Herr Verfasser, scheint sein Betragen die Aufmerksamkeit des Psychologen zu verdienen. Die Gelegenheit, wie dieser Mensch zuerst auf die Jdee von dem Daseyn einer Gottheit kam, war sehr besonders,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0004]
Seelennaturkunde, vorkommen, und hier und da eine genauere Beleuchtung erfordern, als ihnen die Herren Einsender gegeben haben.
Das erste Stuͤck des vierten Bandes enthielt lauter Erzaͤhlungen von Seelenkrankheiten; das zweite hingegen des nehmlichen Bandes hat destomehr Aufsaͤtze, die zur Seelennaturkunde gehoͤren.
Seite 42ff. 4. B. 2. St. befinden sich einige an einem Taubstummen gemachte Beobachtungen, vom Herrn F.A. Wallroth. Ein sehr interessanter und lesenswuͤrdiger Aufsatz, der manche wichtige Aufschluͤsse uͤber die sonderbare Jdeenentwickelung in der Seele der Taubstummen enthaͤlt, und die Eigenheit ihres oft eben so sonderbaren Charakters in einzelnen Stuͤcken sehr gut darstellt. »Der taubstummgeborne arme Mensch, dessen hier gedacht wird, war zwar in seiner Jugend in die Schule geschickt worden; allein seine Lehrer hatten theils nicht Zeit, theils nicht Lust genug gehabt, sich mit ihm besonders abzugeben, weil sie sich selbst keinen gluͤcklichen Erfolg ihrer Arbeiten versprachen. Sein Verstand blieb also unaufgeklaͤrt, und man fing nur alsdann erst an, ihm etwas als suͤndlich vorzustellen, wenn er es schon begangen hatte, und um so viel mehr, sagt der Herr Verfasser, scheint sein Betragen die Aufmerksamkeit des Psychologen zu verdienen. Die Gelegenheit, wie dieser Mensch zuerst auf die Jdee von dem Daseyn einer Gottheit kam, war sehr besonders,
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