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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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und es war ihm nicht möglich, sich ganz wieder aufzuhelfen. Es entstanden zwischen ihm und seiner Handelsgesellschaft Zwistigkeiten, sie trennte sich von ihm, und er sollte nun für sich allein handeln; das konnte er aber nun mit seinem eigenen Vermögen nicht glücklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie er es wünschte, er konnte sich nicht mehr auf dem Fuße halten, wie er angefangen hatte; zum Bauer wollte er sich nicht ganz herablassen." *)


*) Jn diesen Umständen, in diesem Herabsinken aus einer guten anständigen Lage in einen armseeligen Zustand, den Simmen nicht erwartet hatte, in den Erschütterungen, den sein früher Ehrgeitz dadurch leiden mußte, welcher bei gemeinen Leuten, die eine gewisse Feinheit und Cultur zu besitzen glauben, oft so erstaunliche Fortschritte macht, -- liegt wohl der erste Grund seines Lebensüberdrußes und seine nachher vollbrachte abscheuliche That, die sich auf diesen Ueberdruß zu gründen schien. Wenn die menschliche Seele in einer solchen Lage nicht von Principien einer gesunden Moral unterstützt wird; wenn sie sich bloß ihrem unterdrückten Ehrgeitz überläßt, wenn eine gewisse freiere Denkungsart, ein heimliches, trotziges Wesen, was man wohl leicht als Soldat lernen kann, hinzukommt, so ergiebt sie sich leicht kühnen Projecten, und wird bei aller angebornen Gutmüthigkeit, die aus dem Character Simmens unverkennbar hervorleuchtet, ein Opfer momentaner oft schrecklicher Leidenschaften, die man nach ihren natürlichen Anlagen gar in ihr nicht vermuthen sollte. Simmen gehört offenbar zu den Menschen, die vortrefliche Anlagen des Kopfs und Herzens besitzen, meistentheils auch moralisch gut handeln; aber im Drange einer einzigen verschrobenen mißgeleiteten Passion momentane Bösewichter, -- und hinterher wieder gute Menschen werden können. P.


und es war ihm nicht moͤglich, sich ganz wieder aufzuhelfen. Es entstanden zwischen ihm und seiner Handelsgesellschaft Zwistigkeiten, sie trennte sich von ihm, und er sollte nun fuͤr sich allein handeln; das konnte er aber nun mit seinem eigenen Vermoͤgen nicht gluͤcklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie er es wuͤnschte, er konnte sich nicht mehr auf dem Fuße halten, wie er angefangen hatte; zum Bauer wollte er sich nicht ganz herablassen.« *)


*) Jn diesen Umstaͤnden, in diesem Herabsinken aus einer guten anstaͤndigen Lage in einen armseeligen Zustand, den Simmen nicht erwartet hatte, in den Erschuͤtterungen, den sein fruͤher Ehrgeitz dadurch leiden mußte, welcher bei gemeinen Leuten, die eine gewisse Feinheit und Cultur zu besitzen glauben, oft so erstaunliche Fortschritte macht, — liegt wohl der erste Grund seines Lebensuͤberdrußes und seine nachher vollbrachte abscheuliche That, die sich auf diesen Ueberdruß zu gruͤnden schien. Wenn die menschliche Seele in einer solchen Lage nicht von Principien einer gesunden Moral unterstuͤtzt wird; wenn sie sich bloß ihrem unterdruͤckten Ehrgeitz uͤberlaͤßt, wenn eine gewisse freiere Denkungsart, ein heimliches, trotziges Wesen, was man wohl leicht als Soldat lernen kann, hinzukommt, so ergiebt sie sich leicht kuͤhnen Projecten, und wird bei aller angebornen Gutmuͤthigkeit, die aus dem Character Simmens unverkennbar hervorleuchtet, ein Opfer momentaner oft schrecklicher Leidenschaften, die man nach ihren natuͤrlichen Anlagen gar in ihr nicht vermuthen sollte. Simmen gehoͤrt offenbar zu den Menschen, die vortrefliche Anlagen des Kopfs und Herzens besitzen, meistentheils auch moralisch gut handeln; aber im Drange einer einzigen verschrobenen mißgeleiteten Passion momentane Boͤsewichter, — und hinterher wieder gute Menschen werden koͤnnen. P.
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[37/0039] und es war ihm nicht moͤglich, sich ganz wieder aufzuhelfen. Es entstanden zwischen ihm und seiner Handelsgesellschaft Zwistigkeiten, sie trennte sich von ihm, und er sollte nun fuͤr sich allein handeln; das konnte er aber nun mit seinem eigenen Vermoͤgen nicht gluͤcklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie er es wuͤnschte, er konnte sich nicht mehr auf dem Fuße halten, wie er angefangen hatte; zum Bauer wollte er sich nicht ganz herablassen.« *) *) Jn diesen Umstaͤnden, in diesem Herabsinken aus einer guten anstaͤndigen Lage in einen armseeligen Zustand, den Simmen nicht erwartet hatte, in den Erschuͤtterungen, den sein fruͤher Ehrgeitz dadurch leiden mußte, welcher bei gemeinen Leuten, die eine gewisse Feinheit und Cultur zu besitzen glauben, oft so erstaunliche Fortschritte macht, — liegt wohl der erste Grund seines Lebensuͤberdrußes und seine nachher vollbrachte abscheuliche That, die sich auf diesen Ueberdruß zu gruͤnden schien. Wenn die menschliche Seele in einer solchen Lage nicht von Principien einer gesunden Moral unterstuͤtzt wird; wenn sie sich bloß ihrem unterdruͤckten Ehrgeitz uͤberlaͤßt, wenn eine gewisse freiere Denkungsart, ein heimliches, trotziges Wesen, was man wohl leicht als Soldat lernen kann, hinzukommt, so ergiebt sie sich leicht kuͤhnen Projecten, und wird bei aller angebornen Gutmuͤthigkeit, die aus dem Character Simmens unverkennbar hervorleuchtet, ein Opfer momentaner oft schrecklicher Leidenschaften, die man nach ihren natuͤrlichen Anlagen gar in ihr nicht vermuthen sollte. Simmen gehoͤrt offenbar zu den Menschen, die vortrefliche Anlagen des Kopfs und Herzens besitzen, meistentheils auch moralisch gut handeln; aber im Drange einer einzigen verschrobenen mißgeleiteten Passion momentane Boͤsewichter, — und hinterher wieder gute Menschen werden koͤnnen. P.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/39>, abgerufen am 25.11.2024.