merkliche Sinnesveränderung vor; man kann noch behaupten, es bleibe derselbe Seelenzustand, -- dieselbe Seelenrichtung; denn sie gleiten vorüber und lassen kein Gepräg ihrer Existenz zurück; die in dem Menschen da gewesene Modification der Seelenorgane dauert fort im ersten gerührten Tone, bis entweder zu viele, obgleich minder lebhafte, Vorwürfe sie verwirren, dann verdunkeln, dann vernichten; sich selbst als Tyrannen der Seele und ihrer Stimmung eindrängen, oder bis ein andrer gleichartiger kömmt, und denselben Seelenzustand befestigt. Wenn aber die ungleichartigen Eindrücke stärker sind, -- so muß nothwendig die Wirkung dieser überlegenen Kraft diese seyn, daß sie die alten Besitzer, (sind sie noch nicht zu alt, und haben sie sich dem ganzen Menschen noch nicht zu nothwendig und wegen verschiedner Gründe zu interessant gemacht) vertreiben, -- sich ihrer Stelle versichern, -- und nun mit dem nehmlichen Rechte und vielleicht wieder mit der nehmlichen Gefahr die Regierung der Seele führen."
Der Herr Verfasser urtheilt, wie mich dünkt, sehr richtig, daß die Lebhaftigkeit der Empfindungen nicht, wenigstens nicht immer, der Grund von ihrer längern Dauer sey, sondern daß, wenn Empfindungen lange fortdauren sollen, ein gewisser Zustand der Seele, eine gewisse innere Stimmung und Richtung derselben, die ihr natürlich sey, vorausgesetzt werden müsse. Aus unzähligen Bei-
merkliche Sinnesveraͤnderung vor; man kann noch behaupten, es bleibe derselbe Seelenzustand, — dieselbe Seelenrichtung; denn sie gleiten voruͤber und lassen kein Gepraͤg ihrer Existenz zuruͤck; die in dem Menschen da gewesene Modification der Seelenorgane dauert fort im ersten geruͤhrten Tone, bis entweder zu viele, obgleich minder lebhafte, Vorwuͤrfe sie verwirren, dann verdunkeln, dann vernichten; sich selbst als Tyrannen der Seele und ihrer Stimmung eindraͤngen, oder bis ein andrer gleichartiger koͤmmt, und denselben Seelenzustand befestigt. Wenn aber die ungleichartigen Eindruͤcke staͤrker sind, — so muß nothwendig die Wirkung dieser uͤberlegenen Kraft diese seyn, daß sie die alten Besitzer, (sind sie noch nicht zu alt, und haben sie sich dem ganzen Menschen noch nicht zu nothwendig und wegen verschiedner Gruͤnde zu interessant gemacht) vertreiben, — sich ihrer Stelle versichern, — und nun mit dem nehmlichen Rechte und vielleicht wieder mit der nehmlichen Gefahr die Regierung der Seele fuͤhren.«
Der Herr Verfasser urtheilt, wie mich duͤnkt, sehr richtig, daß die Lebhaftigkeit der Empfindungen nicht, wenigstens nicht immer, der Grund von ihrer laͤngern Dauer sey, sondern daß, wenn Empfindungen lange fortdauren sollen, ein gewisser Zustand der Seele, eine gewisse innere Stimmung und Richtung derselben, die ihr natuͤrlich sey, vorausgesetzt werden muͤsse. Aus unzaͤhligen Bei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0018"n="16"/><lb/>
merkliche Sinnesveraͤnderung vor; man kann noch behaupten, es bleibe derselbe Seelenzustand, — dieselbe Seelenrichtung; denn sie gleiten voruͤber und lassen kein Gepraͤg ihrer Existenz zuruͤck; die in dem Menschen da gewesene Modification der Seelenorgane dauert fort im ersten geruͤhrten Tone, bis entweder zu viele, obgleich minder lebhafte, Vorwuͤrfe sie verwirren, dann verdunkeln, dann vernichten; sich selbst als Tyrannen der Seele und ihrer Stimmung eindraͤngen, oder bis ein andrer gleichartiger koͤmmt, und denselben Seelenzustand befestigt. Wenn aber die ungleichartigen Eindruͤcke staͤrker sind, — so muß nothwendig die Wirkung dieser uͤberlegenen Kraft diese seyn, daß sie die alten Besitzer, (sind sie noch nicht zu alt, und haben sie sich dem ganzen Menschen noch nicht zu nothwendig und wegen verschiedner Gruͤnde zu interessant gemacht) vertreiben, — sich ihrer Stelle versichern, — und nun mit dem nehmlichen Rechte und vielleicht wieder mit der nehmlichen Gefahr die Regierung der Seele fuͤhren.«</p><p>Der Herr Verfasser urtheilt, wie mich duͤnkt, sehr richtig, daß die <hirendition="#b">Lebhaftigkeit</hi> der Empfindungen nicht, wenigstens nicht immer, der Grund von ihrer laͤngern Dauer sey, sondern daß, wenn Empfindungen lange fortdauren sollen, ein gewisser Zustand der Seele, eine gewisse <hirendition="#b">innere</hi> Stimmung und Richtung derselben, die ihr natuͤrlich sey, vorausgesetzt werden muͤsse. Aus unzaͤhligen Bei-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[16/0018]
merkliche Sinnesveraͤnderung vor; man kann noch behaupten, es bleibe derselbe Seelenzustand, — dieselbe Seelenrichtung; denn sie gleiten voruͤber und lassen kein Gepraͤg ihrer Existenz zuruͤck; die in dem Menschen da gewesene Modification der Seelenorgane dauert fort im ersten geruͤhrten Tone, bis entweder zu viele, obgleich minder lebhafte, Vorwuͤrfe sie verwirren, dann verdunkeln, dann vernichten; sich selbst als Tyrannen der Seele und ihrer Stimmung eindraͤngen, oder bis ein andrer gleichartiger koͤmmt, und denselben Seelenzustand befestigt. Wenn aber die ungleichartigen Eindruͤcke staͤrker sind, — so muß nothwendig die Wirkung dieser uͤberlegenen Kraft diese seyn, daß sie die alten Besitzer, (sind sie noch nicht zu alt, und haben sie sich dem ganzen Menschen noch nicht zu nothwendig und wegen verschiedner Gruͤnde zu interessant gemacht) vertreiben, — sich ihrer Stelle versichern, — und nun mit dem nehmlichen Rechte und vielleicht wieder mit der nehmlichen Gefahr die Regierung der Seele fuͤhren.«
Der Herr Verfasser urtheilt, wie mich duͤnkt, sehr richtig, daß die Lebhaftigkeit der Empfindungen nicht, wenigstens nicht immer, der Grund von ihrer laͤngern Dauer sey, sondern daß, wenn Empfindungen lange fortdauren sollen, ein gewisser Zustand der Seele, eine gewisse innere Stimmung und Richtung derselben, die ihr natuͤrlich sey, vorausgesetzt werden muͤsse. Aus unzaͤhligen Bei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/18>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.