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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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durchstreichen. Sie laufen die Treppen auf und nieder und zünden Lichter an. Es begleiteten sie gemeiniglich zwei bis drei andre gesunde Nonnen, welche sie nicht gewahr werden, bis man sie recht scharf mit Ruthen streicht.


Del Rio erzählt (siehe Fritschii Histor. mirabil. Part. II. Hist. 5 ) Gundisalvus, ein Schulmeister, welcher die Kinder im Catechismus unterrichtete, und in einem Kloster zu übernachten pflegte, hatte im Gebrauch, daß er zur Nachtzeit sang, lehrte, schalt und vermahnte, grade, als wenn er sein kleines Auditorium wirklich vor sich hätte. Ein Klosterbruder, in dessen Zelle er lag, drohete ihm, er sollte die Nacht stille seyn, und ihn ruhig schlafen lassen, oder er wollte aufstehen, seine Ruthe nehmen, und ihm, wie er seinen Schülern, das Lermen vertreiben. Der Schulmeister merkt sich dieß, und schläft darüber ein.

Des Nachts steht er auf, nimmt eine lange Scheere und geht zu des Bruders Bette, welcher zu allem Glücke gewachet, und bei hellscheinendem Monde diesen Nachtgänger gesehen, und sich hinter das Bette verkrochen. Gundisalvus aber näherte sich dem Bette und stieß die Scheere etlichemal in das Hauptküssen, und legte sich darauf wieder nieder. Des folgenden Tages wußte er nichts


durchstreichen. Sie laufen die Treppen auf und nieder und zuͤnden Lichter an. Es begleiteten sie gemeiniglich zwei bis drei andre gesunde Nonnen, welche sie nicht gewahr werden, bis man sie recht scharf mit Ruthen streicht.


Del Rio erzaͤhlt (siehe Fritschii Histor. mirabil. Part. II. Hist. 5 ) Gundisalvus, ein Schulmeister, welcher die Kinder im Catechismus unterrichtete, und in einem Kloster zu uͤbernachten pflegte, hatte im Gebrauch, daß er zur Nachtzeit sang, lehrte, schalt und vermahnte, grade, als wenn er sein kleines Auditorium wirklich vor sich haͤtte. Ein Klosterbruder, in dessen Zelle er lag, drohete ihm, er sollte die Nacht stille seyn, und ihn ruhig schlafen lassen, oder er wollte aufstehen, seine Ruthe nehmen, und ihm, wie er seinen Schuͤlern, das Lermen vertreiben. Der Schulmeister merkt sich dieß, und schlaͤft daruͤber ein.

Des Nachts steht er auf, nimmt eine lange Scheere und geht zu des Bruders Bette, welcher zu allem Gluͤcke gewachet, und bei hellscheinendem Monde diesen Nachtgaͤnger gesehen, und sich hinter das Bette verkrochen. Gundisalvus aber naͤherte sich dem Bette und stieß die Scheere etlichemal in das Hauptkuͤssen, und legte sich darauf wieder nieder. Des folgenden Tages wußte er nichts

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[121/0123] durchstreichen. Sie laufen die Treppen auf und nieder und zuͤnden Lichter an. Es begleiteten sie gemeiniglich zwei bis drei andre gesunde Nonnen, welche sie nicht gewahr werden, bis man sie recht scharf mit Ruthen streicht. Del Rio erzaͤhlt (siehe Fritschii Histor. mirabil. Part. II. Hist. 5 ) Gundisalvus, ein Schulmeister, welcher die Kinder im Catechismus unterrichtete, und in einem Kloster zu uͤbernachten pflegte, hatte im Gebrauch, daß er zur Nachtzeit sang, lehrte, schalt und vermahnte, grade, als wenn er sein kleines Auditorium wirklich vor sich haͤtte. Ein Klosterbruder, in dessen Zelle er lag, drohete ihm, er sollte die Nacht stille seyn, und ihn ruhig schlafen lassen, oder er wollte aufstehen, seine Ruthe nehmen, und ihm, wie er seinen Schuͤlern, das Lermen vertreiben. Der Schulmeister merkt sich dieß, und schlaͤft daruͤber ein. Des Nachts steht er auf, nimmt eine lange Scheere und geht zu des Bruders Bette, welcher zu allem Gluͤcke gewachet, und bei hellscheinendem Monde diesen Nachtgaͤnger gesehen, und sich hinter das Bette verkrochen. Gundisalvus aber naͤherte sich dem Bette und stieß die Scheere etlichemal in das Hauptkuͤssen, und legte sich darauf wieder nieder. Des folgenden Tages wußte er nichts

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/123>, abgerufen am 04.05.2024.