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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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2. Psychologische Bemerkungen über Träume und Nachtwandler.

Daß die menschliche Seele während des Schlafs, bei verschlossenen Sinnen, ganz in sich selbst gekehrt, unabhängig (wenigstens meistentheils) von äußern Sensationen oft mit einer Lebhaftigkeit und Deutlichkeit ihrer Vorstellungen und einer Schnelligkeit der Empfindungen, die ihr kaum im Wachen eigen war, fortdenkt, oft viel mehr neue Jdeen in diesem sonderbaren Zustande mit der grösten Leichtigkeit ohne merkliche Anstrengung als im Wachen erfindet, ist ein zu bemerkenswerthes Phänomen, als daß es nicht immer wieder die Aufmerksamkeit des Psychologen von neuem beschäftigen sollte. Alle jene lächerliche Einbildungen von einer geheimen Bedeutsamkeit der Träume, und einer durch dieselbe geschehenen (wie man es gar nennt göttlichen) Jnspiration abgerechnet, wovon sich nicht leicht ein vernünftiger Seelennaturforscher überzeugen darf und soll, bietet der Traum als bloßes Naturphänomen betrachtet ein ganz eigenes noch lange nicht genug bearbeitetes Feld psychologischen Forschens dar, und verdient durchaus nicht so obenhin, wie in den meisten Seelenlehren abgehandelt zu werden. Jch will einen Theil meiner Gedancken über das Merkwürdigste, was jenes


2. Psychologische Bemerkungen uͤber Traͤume und Nachtwandler.

Daß die menschliche Seele waͤhrend des Schlafs, bei verschlossenen Sinnen, ganz in sich selbst gekehrt, unabhaͤngig (wenigstens meistentheils) von aͤußern Sensationen oft mit einer Lebhaftigkeit und Deutlichkeit ihrer Vorstellungen und einer Schnelligkeit der Empfindungen, die ihr kaum im Wachen eigen war, fortdenkt, oft viel mehr neue Jdeen in diesem sonderbaren Zustande mit der groͤsten Leichtigkeit ohne merkliche Anstrengung als im Wachen erfindet, ist ein zu bemerkenswerthes Phaͤnomen, als daß es nicht immer wieder die Aufmerksamkeit des Psychologen von neuem beschaͤftigen sollte. Alle jene laͤcherliche Einbildungen von einer geheimen Bedeutsamkeit der Traͤume, und einer durch dieselbe geschehenen (wie man es gar nennt goͤttlichen) Jnspiration abgerechnet, wovon sich nicht leicht ein vernuͤnftiger Seelennaturforscher uͤberzeugen darf und soll, bietet der Traum als bloßes Naturphaͤnomen betrachtet ein ganz eigenes noch lange nicht genug bearbeitetes Feld psychologischen Forschens dar, und verdient durchaus nicht so obenhin, wie in den meisten Seelenlehren abgehandelt zu werden. Jch will einen Theil meiner Gedancken uͤber das Merkwuͤrdigste, was jenes

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[76/0076] 2. Psychologische Bemerkungen uͤber Traͤume und Nachtwandler. Daß die menschliche Seele waͤhrend des Schlafs, bei verschlossenen Sinnen, ganz in sich selbst gekehrt, unabhaͤngig (wenigstens meistentheils) von aͤußern Sensationen oft mit einer Lebhaftigkeit und Deutlichkeit ihrer Vorstellungen und einer Schnelligkeit der Empfindungen, die ihr kaum im Wachen eigen war, fortdenkt, oft viel mehr neue Jdeen in diesem sonderbaren Zustande mit der groͤsten Leichtigkeit ohne merkliche Anstrengung als im Wachen erfindet, ist ein zu bemerkenswerthes Phaͤnomen, als daß es nicht immer wieder die Aufmerksamkeit des Psychologen von neuem beschaͤftigen sollte. Alle jene laͤcherliche Einbildungen von einer geheimen Bedeutsamkeit der Traͤume, und einer durch dieselbe geschehenen (wie man es gar nennt goͤttlichen) Jnspiration abgerechnet, wovon sich nicht leicht ein vernuͤnftiger Seelennaturforscher uͤberzeugen darf und soll, bietet der Traum als bloßes Naturphaͤnomen betrachtet ein ganz eigenes noch lange nicht genug bearbeitetes Feld psychologischen Forschens dar, und verdient durchaus nicht so obenhin, wie in den meisten Seelenlehren abgehandelt zu werden. Jch will einen Theil meiner Gedancken uͤber das Merkwuͤrdigste, was jenes

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/76>, abgerufen am 26.11.2024.