Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0062" n="62"/><lb/> fersucht gegen ihn kalt gemacht hat, wir suchen Entschuldigungen auf und finden sie in irgend einem Fehler desselben, so klein er auch immer seyn mag, und so leicht wir sonst daruͤber wegsehen. Es kostet uns nun nicht mehr Ueberwindung, von diesem Fehler mit andern zu reden, und ihn durch eine zweideutige Darstellung noch schwaͤrzer zu machen. Es gereuet uns, daß wir mit einem Manne sonst einen so vertrauten Umgang gehalten haben, der uns so schlecht zu belohnen scheint, wir koͤnnen mit einer heimlichen Freude daran denken und wuͤnschen, daß er gar nicht vorhanden seyn moͤge, und wir werden es mit Vergnuͤgen hoͤren, wenn uns der Arzt seine Krankheit als gefaͤhrlich schildert. Sehr ungerecht und unverstaͤndig handelt der Eifersuͤchtige gemeiniglich darin, daß er den Gegenstand seiner Jalousie in Gegenwart seiner Gattinn oder <choice><corr>Geliebten</corr><sic>Geliebte</sic></choice> so schwarz abzumahlen sucht, als es nur moͤglich ist. Man will dadurch den Eindruk ausloͤschen, welchen er auf das weibliche Herz gemacht hat, oder ihn verhindern, wenn <choice><corr>es</corr><sic>er</sic></choice> noch nicht davon eingenommen ist, obgleich dies die Aufmerksamkeit des Frauenzimmers auf jenen Gegenstand oft mehr reizt als unterdruͤckt. Wir sehen es gern, wenn andre von unserm vorigen Freunde lieblos sprechen, und gewinnen die gewisser maßen lieb, die es thun. Jede Heruntersetzung desselben scheint fuͤr uns ein Gewinn zu seyn, so wie wir durch jedes Lob desselben, sonderlich wenn es unsre Geliebte hoͤrt, etwas zu verliehren glauben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0062]
fersucht gegen ihn kalt gemacht hat, wir suchen Entschuldigungen auf und finden sie in irgend einem Fehler desselben, so klein er auch immer seyn mag, und so leicht wir sonst daruͤber wegsehen. Es kostet uns nun nicht mehr Ueberwindung, von diesem Fehler mit andern zu reden, und ihn durch eine zweideutige Darstellung noch schwaͤrzer zu machen. Es gereuet uns, daß wir mit einem Manne sonst einen so vertrauten Umgang gehalten haben, der uns so schlecht zu belohnen scheint, wir koͤnnen mit einer heimlichen Freude daran denken und wuͤnschen, daß er gar nicht vorhanden seyn moͤge, und wir werden es mit Vergnuͤgen hoͤren, wenn uns der Arzt seine Krankheit als gefaͤhrlich schildert. Sehr ungerecht und unverstaͤndig handelt der Eifersuͤchtige gemeiniglich darin, daß er den Gegenstand seiner Jalousie in Gegenwart seiner Gattinn oder Geliebten so schwarz abzumahlen sucht, als es nur moͤglich ist. Man will dadurch den Eindruk ausloͤschen, welchen er auf das weibliche Herz gemacht hat, oder ihn verhindern, wenn es noch nicht davon eingenommen ist, obgleich dies die Aufmerksamkeit des Frauenzimmers auf jenen Gegenstand oft mehr reizt als unterdruͤckt. Wir sehen es gern, wenn andre von unserm vorigen Freunde lieblos sprechen, und gewinnen die gewisser maßen lieb, die es thun. Jede Heruntersetzung desselben scheint fuͤr uns ein Gewinn zu seyn, so wie wir durch jedes Lob desselben, sonderlich wenn es unsre Geliebte hoͤrt, etwas zu verliehren glauben.
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