Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Ueberspannter Stolz und Liebe sind ohnstreitig, nebst vielerlei körperlichen Ursachen, die sich sollten richtig angeben lassen, die gewöhnlichen Quellen des Wahnsinnes, sonderlich beim andern Geschlecht; ein Beweis, daß jene Leidenschaften die allergrößten Erschütterungen des Gehirns hervorzubringen im Stande sind; den aus Stolz Verrückten geht es gemeiniglich wie den Betrunkenen; sie ver-
Ueberspannter Stolz und Liebe sind ohnstreitig, nebst vielerlei koͤrperlichen Ursachen, die sich sollten richtig angeben lassen, die gewoͤhnlichen Quellen des Wahnsinnes, sonderlich beim andern Geschlecht; ein Beweis, daß jene Leidenschaften die allergroͤßten Erschuͤtterungen des Gehirns hervorzubringen im Stande sind; den aus Stolz Verruͤckten geht es gemeiniglich wie den Betrunkenen; sie ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="6"/><lb/> nen Grund angeben, und die man nicht aus einer <hi rendition="#b">vorhergegangenen bestimmten</hi> Jdee erklaͤren kann. Daher fallen sie im Gespraͤch augenblicklich von einem ins andere; der Faden ihrer Begriffe reist schon wieder, ehe sie ihn noch angeknuͤpft haben, und sie haben durchaus nicht mehr die Kraft, die Seele auf einen einzigen Punct mit Nachdenken zu heften. Jn dem Uebereinanderhineilen der Jdeen, ohne daß eine in der andern einen Grund zu haben scheint, besteht der erste Anfang alles <hi rendition="#b">Wahnwitzes,</hi> oder auch in dem Mangel der Kraft, einen einmahl gefaßten <choice><corr>Gesichtspunct</corr><sic>Geschichtspunct</sic></choice> einer oder mehrerer Jdeen gar nicht mehr verruͤcken zu koͤnnen, welches bei den Wahnsinnigen der Fall ist, die eigentlich nur an <hi rendition="#b">einer</hi> Jdee krank liegen, uͤbrigens aber ganz vernuͤnftig sind, wie bei dem Mann der Fall war, der sich Gott der Vater zu seyn einbildete, und deswegen sich uͤber die Narrheit eines andern nicht satt lachen konnte, welcher sich fuͤr Gott den Sohn hielt, weil ersterer als Gott der Vater besser zu wissen glaubte, wer sein Sohn seyn koͤnne.</p> <p><hi rendition="#b">Ueberspannter Stolz</hi> und <hi rendition="#b">Liebe</hi> sind ohnstreitig, nebst vielerlei koͤrperlichen Ursachen, die sich sollten richtig angeben lassen, die gewoͤhnlichen Quellen des Wahnsinnes, sonderlich beim andern Geschlecht; ein Beweis, daß jene Leidenschaften die allergroͤßten Erschuͤtterungen des Gehirns hervorzubringen im Stande sind; den aus Stolz Verruͤckten geht es gemeiniglich wie den Betrunkenen; sie ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
nen Grund angeben, und die man nicht aus einer vorhergegangenen bestimmten Jdee erklaͤren kann. Daher fallen sie im Gespraͤch augenblicklich von einem ins andere; der Faden ihrer Begriffe reist schon wieder, ehe sie ihn noch angeknuͤpft haben, und sie haben durchaus nicht mehr die Kraft, die Seele auf einen einzigen Punct mit Nachdenken zu heften. Jn dem Uebereinanderhineilen der Jdeen, ohne daß eine in der andern einen Grund zu haben scheint, besteht der erste Anfang alles Wahnwitzes, oder auch in dem Mangel der Kraft, einen einmahl gefaßten Gesichtspunct einer oder mehrerer Jdeen gar nicht mehr verruͤcken zu koͤnnen, welches bei den Wahnsinnigen der Fall ist, die eigentlich nur an einer Jdee krank liegen, uͤbrigens aber ganz vernuͤnftig sind, wie bei dem Mann der Fall war, der sich Gott der Vater zu seyn einbildete, und deswegen sich uͤber die Narrheit eines andern nicht satt lachen konnte, welcher sich fuͤr Gott den Sohn hielt, weil ersterer als Gott der Vater besser zu wissen glaubte, wer sein Sohn seyn koͤnne.
Ueberspannter Stolz und Liebe sind ohnstreitig, nebst vielerlei koͤrperlichen Ursachen, die sich sollten richtig angeben lassen, die gewoͤhnlichen Quellen des Wahnsinnes, sonderlich beim andern Geschlecht; ein Beweis, daß jene Leidenschaften die allergroͤßten Erschuͤtterungen des Gehirns hervorzubringen im Stande sind; den aus Stolz Verruͤckten geht es gemeiniglich wie den Betrunkenen; sie ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |