Norwegen bey ihrer Tochter wäre, und widersprach allen denen mit größter Lebhaftigkeit, welche das Gegentheil sagten. Bisweilen machte sie Anstalt zur Reise nach Coppenhagen, und war nicht zu überreden, daß sie sich ja schon an diesem Orte aufhielt, bis man endlich auf ein listiges Mittel dachte, und sie in einem Wagen außer dem Thor herumfahren, nachher aber in die Stadt zurückbringen ließ, da sie denn ihr Haus kannte, und damahls eben aus Norwegen zurückgekommen zu seyn glaubte. Sie konnte Hände und Füße bewegen, und nach Gefallen gebrauchen. Das Essen schmeckt ihr wohl, und war in allen Stücken einem gesunden Menschen gleich, außer daß sie nicht schlafen konnte, wenn sie nicht Opium nahm. Nachher bekam sie ihren Paroxismus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemahl höchlich, daß sie wieder ins Leben zurückgekehrt sey. Während der Zeit daß sie sich todt glaubte, hielt sie mit längst Verstorbenen Unterredungen, richtete Gastmahle für sie zu, und bewirthete die nüchternen Todten mit vieler Sorgfalt.
Jn gegenwärtigem Fall war die Vorstellung des Frauenzimmers, daß sie würklich gestorben sey, lebhafter als alle andre Jdeen geworden, die sie vom Gegentheil hätten überführen können, und dergleichen ähnliche Fälle sind nichts ungewöhnliches. Als die Kranke vom Schlage gerührt wurde, bemächtigte
Norwegen bey ihrer Tochter waͤre, und widersprach allen denen mit groͤßter Lebhaftigkeit, welche das Gegentheil sagten. Bisweilen machte sie Anstalt zur Reise nach Coppenhagen, und war nicht zu uͤberreden, daß sie sich ja schon an diesem Orte aufhielt, bis man endlich auf ein listiges Mittel dachte, und sie in einem Wagen außer dem Thor herumfahren, nachher aber in die Stadt zuruͤckbringen ließ, da sie denn ihr Haus kannte, und damahls eben aus Norwegen zuruͤckgekommen zu seyn glaubte. Sie konnte Haͤnde und Fuͤße bewegen, und nach Gefallen gebrauchen. Das Essen schmeckt ihr wohl, und war in allen Stuͤcken einem gesunden Menschen gleich, außer daß sie nicht schlafen konnte, wenn sie nicht Opium nahm. Nachher bekam sie ihren Paroxismus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemahl hoͤchlich, daß sie wieder ins Leben zuruͤckgekehrt sey. Waͤhrend der Zeit daß sie sich todt glaubte, hielt sie mit laͤngst Verstorbenen Unterredungen, richtete Gastmahle fuͤr sie zu, und bewirthete die nuͤchternen Todten mit vieler Sorgfalt.
Jn gegenwaͤrtigem Fall war die Vorstellung des Frauenzimmers, daß sie wuͤrklich gestorben sey, lebhafter als alle andre Jdeen geworden, die sie vom Gegentheil haͤtten uͤberfuͤhren koͤnnen, und dergleichen aͤhnliche Faͤlle sind nichts ungewoͤhnliches. Als die Kranke vom Schlage geruͤhrt wurde, bemaͤchtigte
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Norwegen bey ihrer Tochter waͤre, und widersprach allen denen mit groͤßter Lebhaftigkeit, welche das Gegentheil sagten. Bisweilen machte sie Anstalt zur Reise nach Coppenhagen, und war nicht zu uͤberreden, daß sie sich ja schon an diesem Orte aufhielt, bis man endlich auf ein listiges Mittel dachte, und sie in einem Wagen außer dem Thor herumfahren, nachher aber in die Stadt zuruͤckbringen ließ, da sie denn ihr Haus kannte, und damahls eben aus Norwegen zuruͤckgekommen zu seyn glaubte. Sie konnte Haͤnde und Fuͤße bewegen, und nach Gefallen gebrauchen. Das Essen schmeckt ihr wohl, und war in allen Stuͤcken einem gesunden Menschen gleich, außer daß sie nicht schlafen konnte, wenn sie nicht Opium nahm. Nachher bekam sie ihren Paroxismus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemahl hoͤchlich, daß sie wieder ins Leben zuruͤckgekehrt sey. Waͤhrend der Zeit daß sie sich todt glaubte, hielt sie mit laͤngst Verstorbenen Unterredungen, richtete Gastmahle fuͤr sie zu, und bewirthete die nuͤchternen Todten mit vieler Sorgfalt.</p><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Jn gegenwaͤrtigem Fall war die Vorstellung des Frauenzimmers, daß sie wuͤrklich gestorben sey, lebhafter als alle andre Jdeen geworden, die sie vom Gegentheil haͤtten uͤberfuͤhren koͤnnen, und dergleichen aͤhnliche Faͤlle sind nichts ungewoͤhnliches. Als die Kranke vom Schlage geruͤhrt wurde, bemaͤchtigte<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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Norwegen bey ihrer Tochter waͤre, und widersprach allen denen mit groͤßter Lebhaftigkeit, welche das Gegentheil sagten. Bisweilen machte sie Anstalt zur Reise nach Coppenhagen, und war nicht zu uͤberreden, daß sie sich ja schon an diesem Orte aufhielt, bis man endlich auf ein listiges Mittel dachte, und sie in einem Wagen außer dem Thor herumfahren, nachher aber in die Stadt zuruͤckbringen ließ, da sie denn ihr Haus kannte, und damahls eben aus Norwegen zuruͤckgekommen zu seyn glaubte. Sie konnte Haͤnde und Fuͤße bewegen, und nach Gefallen gebrauchen. Das Essen schmeckt ihr wohl, und war in allen Stuͤcken einem gesunden Menschen gleich, außer daß sie nicht schlafen konnte, wenn sie nicht Opium nahm. Nachher bekam sie ihren Paroxismus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemahl hoͤchlich, daß sie wieder ins Leben zuruͤckgekehrt sey. Waͤhrend der Zeit daß sie sich todt glaubte, hielt sie mit laͤngst Verstorbenen Unterredungen, richtete Gastmahle fuͤr sie zu, und bewirthete die nuͤchternen Todten mit vieler Sorgfalt.
Jn gegenwaͤrtigem Fall war die Vorstellung des Frauenzimmers, daß sie wuͤrklich gestorben sey, lebhafter als alle andre Jdeen geworden, die sie vom Gegentheil haͤtten uͤberfuͤhren koͤnnen, und dergleichen aͤhnliche Faͤlle sind nichts ungewoͤhnliches. Als die Kranke vom Schlage geruͤhrt wurde, bemaͤchtigte
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/44>, abgerufen am 16.07.2024.
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