Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.Zur Seelenkrankheitskunde. 1. Merkwürdige Beispiele vom Lebensüberdruß. a) Eines hypochondrischen Geistlichen. Am 7ten Junius vorigen Jahres (1787) starb zu A.. im Saarbrückischen der reformirte Pfarrer H.. Der arme Mann war bei aller derjenigen Munterkeit, die er in jüngern Jahren besaß, und auch gegen das Ende seines Lebens noch in Gesellschaften affectirte, hypochondrisch, und ließ dieses Uebel, statt bei Zeiten die gehörigen Mittel dagegen zu gebrauchen, immer tiefer einwurzeln. Ungefähr am 3ten Junius erklärte er sich plözlich gegen seine Schwester, die seine Haushaltung besorgte: Die Zeit meines Abscheidens ist nahe! Jch lebe nur noch eine Woche und alsdenn, ich muß! -- alsdenn stürz ich mich ins Wasser! Die Schwester sank bei diesen Worten ohnmächtig zu ihres Bruders Füßen nieder. Durch ungarisches Wasser brachte er dieselbe so weit wieder zu Zur Seelenkrankheitskunde. 1. Merkwuͤrdige Beispiele vom Lebensuͤberdruß. a) Eines hypochondrischen Geistlichen. Am 7ten Junius vorigen Jahres (1787) starb zu A.. im Saarbruͤckischen der reformirte Pfarrer H.. Der arme Mann war bei aller derjenigen Munterkeit, die er in juͤngern Jahren besaß, und auch gegen das Ende seines Lebens noch in Gesellschaften affectirte, hypochondrisch, und ließ dieses Uebel, statt bei Zeiten die gehoͤrigen Mittel dagegen zu gebrauchen, immer tiefer einwurzeln. Ungefaͤhr am 3ten Junius erklaͤrte er sich ploͤzlich gegen seine Schwester, die seine Haushaltung besorgte: Die Zeit meines Abscheidens ist nahe! Jch lebe nur noch eine Woche und alsdenn, ich muß! — alsdenn stuͤrz ich mich ins Wasser! Die Schwester sank bei diesen Worten ohnmaͤchtig zu ihres Bruders Fuͤßen nieder. Durch ungarisches Wasser brachte er dieselbe so weit wieder zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0022" n="22"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Zur Seelenkrankheitskunde.</head><lb/> <div n="3"> <head>1. Merkwuͤrdige Beispiele vom Lebensuͤberdruß.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName> </bibl> </note> <div n="4"> <head>a) Eines hypochondrischen Geistlichen.</head><lb/> <p>Am 7ten Junius vorigen Jahres (1787) starb zu A.. im <choice><corr>Saarbruͤckischen</corr><sic>Sarbruͤckischen</sic></choice> der reformirte Pfarrer H.. Der arme Mann war bei aller derjenigen Munterkeit, die er in juͤngern Jahren besaß, und auch gegen das Ende seines Lebens noch in Gesellschaften affectirte, hypochondrisch, und ließ dieses Uebel, statt bei Zeiten die gehoͤrigen Mittel dagegen zu gebrauchen, immer tiefer einwurzeln. Ungefaͤhr am 3ten Junius erklaͤrte er sich ploͤzlich gegen seine Schwester, die seine Haushaltung besorgte: <hi rendition="#b">Die Zeit meines Abscheidens ist nahe! Jch lebe nur noch eine Woche und alsdenn, ich muß! — alsdenn stuͤrz ich mich ins Wasser!</hi> Die Schwester sank bei diesen Worten ohnmaͤchtig zu ihres Bruders Fuͤßen nieder. Durch ungarisches Wasser brachte er dieselbe so weit wieder zu<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0022]
Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Merkwuͤrdige Beispiele vom Lebensuͤberdruß.
a) Eines hypochondrischen Geistlichen.
Am 7ten Junius vorigen Jahres (1787) starb zu A.. im Saarbruͤckischen der reformirte Pfarrer H.. Der arme Mann war bei aller derjenigen Munterkeit, die er in juͤngern Jahren besaß, und auch gegen das Ende seines Lebens noch in Gesellschaften affectirte, hypochondrisch, und ließ dieses Uebel, statt bei Zeiten die gehoͤrigen Mittel dagegen zu gebrauchen, immer tiefer einwurzeln. Ungefaͤhr am 3ten Junius erklaͤrte er sich ploͤzlich gegen seine Schwester, die seine Haushaltung besorgte: Die Zeit meines Abscheidens ist nahe! Jch lebe nur noch eine Woche und alsdenn, ich muß! — alsdenn stuͤrz ich mich ins Wasser! Die Schwester sank bei diesen Worten ohnmaͤchtig zu ihres Bruders Fuͤßen nieder. Durch ungarisches Wasser brachte er dieselbe so weit wieder zu
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