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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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ner Thätigkeit verschoben ward. -- Es war angezeigt, wie ihn die Unmöglichkeit, schwere Stellen aus seinen angenommenen Sätzen zu erklären, -- verrückt; Widerspruch von Seiten seiner Lehrer und Freunde -- toll; und endlich die Bemerkung, daß man ihn als einen Verrückten und Tollen behandle, -- rasend machte. Ferner waren die Grade, nach denen die weise Behandlungsart des Arztes auf seine Seele wirkte, sorgfältig angegeben, und der stufenweise Uebergang zu seiner gänzlichen Wiederherstellung auseinander gesezt. -- Endlich war sein fürchterlicher Rückfall, und das Betragen des Arztes dabey durch verschiedne Bemerkungen mehr vorbereitet. Franz hatte z.B. so lange er in der Stadt unter den Augen des Arztes war, keinen Wein gekostet, und trank solchen beim Abschiedsmahle, am Ende sogar hinter dem Rücken des Doctors, -- zum erstenmal wieder. -- Der Anblick der Gegend, die er während seiner Tollheit täglich vor Augen hatte, brachte durch die Association, welche die Kraft des Weins beflügelte, -- jene schwärmerische Vorstellungen und Empfindungen zurück, die einst so oft mit jenem Anblick verbunden waren: diese irren Vorstellungen und Empfindungen mußten desto lebhafter werden und desto mehr Raum gewinnen, -- je häufiger und je lebhafter jene Bilder wurden, die mit ihnen in einer so genauen obgleich zufälligen Verbindung stunden. Der Arzt hätte daher eher alles wagen sollen, als er ihn den Vorsteher des Tollhauses besuchen ließ. Franz hatte ferner auch da sein Zustand am schlimmsten war, zuweilen nüchterne Stunden, in denen er also das beabsichtete Geheimnis, daß er im Tollhause sey, und als Toller behandelt werde, -- gar wohl von sich selbst entziffern konnte. Weil er sah, wie viel dem Doktor daran gelegen sey, daß er es nicht wisse, schwieg er und störte ihm seinen Kalkul nicht. Als


ner Thaͤtigkeit verschoben ward. — Es war angezeigt, wie ihn die Unmoͤglichkeit, schwere Stellen aus seinen angenommenen Saͤtzen zu erklaͤren, — verruͤckt; Widerspruch von Seiten seiner Lehrer und Freunde — toll; und endlich die Bemerkung, daß man ihn als einen Verruͤckten und Tollen behandle, — rasend machte. Ferner waren die Grade, nach denen die weise Behandlungsart des Arztes auf seine Seele wirkte, sorgfaͤltig angegeben, und der stufenweise Uebergang zu seiner gaͤnzlichen Wiederherstellung auseinander gesezt. — Endlich war sein fuͤrchterlicher Ruͤckfall, und das Betragen des Arztes dabey durch verschiedne Bemerkungen mehr vorbereitet. Franz hatte z.B. so lange er in der Stadt unter den Augen des Arztes war, keinen Wein gekostet, und trank solchen beim Abschiedsmahle, am Ende sogar hinter dem Ruͤcken des Doctors, — zum erstenmal wieder. — Der Anblick der Gegend, die er waͤhrend seiner Tollheit taͤglich vor Augen hatte, brachte durch die Association, welche die Kraft des Weins befluͤgelte, — jene schwaͤrmerische Vorstellungen und Empfindungen zuruͤck, die einst so oft mit jenem Anblick verbunden waren: diese irren Vorstellungen und Empfindungen mußten desto lebhafter werden und desto mehr Raum gewinnen, — je haͤufiger und je lebhafter jene Bilder wurden, die mit ihnen in einer so genauen obgleich zufaͤlligen Verbindung stunden. Der Arzt haͤtte daher eher alles wagen sollen, als er ihn den Vorsteher des Tollhauses besuchen ließ. Franz hatte ferner auch da sein Zustand am schlimmsten war, zuweilen nuͤchterne Stunden, in denen er also das beabsichtete Geheimnis, daß er im Tollhause sey, und als Toller behandelt werde, — gar wohl von sich selbst entziffern konnte. Weil er sah, wie viel dem Doktor daran gelegen sey, daß er es nicht wisse, schwieg er und stoͤrte ihm seinen Kalkul nicht. Als

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[124/0124] ner Thaͤtigkeit verschoben ward. — Es war angezeigt, wie ihn die Unmoͤglichkeit, schwere Stellen aus seinen angenommenen Saͤtzen zu erklaͤren, — verruͤckt; Widerspruch von Seiten seiner Lehrer und Freunde — toll; und endlich die Bemerkung, daß man ihn als einen Verruͤckten und Tollen behandle, — rasend machte. Ferner waren die Grade, nach denen die weise Behandlungsart des Arztes auf seine Seele wirkte, sorgfaͤltig angegeben, und der stufenweise Uebergang zu seiner gaͤnzlichen Wiederherstellung auseinander gesezt. — Endlich war sein fuͤrchterlicher Ruͤckfall, und das Betragen des Arztes dabey durch verschiedne Bemerkungen mehr vorbereitet. Franz hatte z.B. so lange er in der Stadt unter den Augen des Arztes war, keinen Wein gekostet, und trank solchen beim Abschiedsmahle, am Ende sogar hinter dem Ruͤcken des Doctors, — zum erstenmal wieder. — Der Anblick der Gegend, die er waͤhrend seiner Tollheit taͤglich vor Augen hatte, brachte durch die Association, welche die Kraft des Weins befluͤgelte, — jene schwaͤrmerische Vorstellungen und Empfindungen zuruͤck, die einst so oft mit jenem Anblick verbunden waren: diese irren Vorstellungen und Empfindungen mußten desto lebhafter werden und desto mehr Raum gewinnen, — je haͤufiger und je lebhafter jene Bilder wurden, die mit ihnen in einer so genauen obgleich zufaͤlligen Verbindung stunden. Der Arzt haͤtte daher eher alles wagen sollen, als er ihn den Vorsteher des Tollhauses besuchen ließ. Franz hatte ferner auch da sein Zustand am schlimmsten war, zuweilen nuͤchterne Stunden, in denen er also das beabsichtete Geheimnis, daß er im Tollhause sey, und als Toller behandelt werde, — gar wohl von sich selbst entziffern konnte. Weil er sah, wie viel dem Doktor daran gelegen sey, daß er es nicht wisse, schwieg er und stoͤrte ihm seinen Kalkul nicht. Als

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/124>, abgerufen am 22.11.2024.