Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Franz hörte nichts. Alle Bilder seines ehemaligen grauenvollen Zustandes stürzten wie eine Gewitternacht auf ihn herab. Jch nahm ihn am Arme, ich wollte ihn gewaltsam hinwegführen. Er riß sich los, und fuhr immer fürchterlicher fort: "Hier fütterten sie mich mit Wasser und schimmligem Brod! -- Hier wälzt' ich mich im Staube, und rang mit allen Schreknissen desTodes" u.s.f. -- Jch befahl dem Jnspector und dem Vater, Hand an ihn zu legen. Er stieß uns wüthend zurük, starrte seinen Vater mit der vollen Miene seiner ehmaligen Raserey an und brüllte Schaum vor dem Munde: "Auch er hat sich wider mich verschworen, Rabenvater, auch Er? Er war wohl Schuld, daß sie mich hier einsperrten, und folterten, und der Verzweiflung Preis gaben?" -- -- Der Jnspector war nach Hülfe gesprungen. Jch hielt den Sohn aus allen Kräften. Er schleuderte mich zum zweitenmal an die Wand, ergrif ein großes zinnernes Wassergefäß, das auf dem Tisch stund, faßte seinen Vater hinten am Haar und rief: "Dein Auge ist vertroknet, du hast keine Mitleidsträhne für deinen Sohn, Kannibale? -- Ha so soll Blut statt der Trähnen fliessen". -- So rief er, und stieß seinem Vater die Mündung des Gefässes mit knir-
Franz hoͤrte nichts. Alle Bilder seines ehemaligen grauenvollen Zustandes stuͤrzten wie eine Gewitternacht auf ihn herab. Jch nahm ihn am Arme, ich wollte ihn gewaltsam hinwegfuͤhren. Er riß sich los, und fuhr immer fuͤrchterlicher fort: »Hier fuͤtterten sie mich mit Wasser und schimmligem Brod! — Hier waͤlzt' ich mich im Staube, und rang mit allen Schreknissen desTodes« u.s.f. — Jch befahl dem Jnspector und dem Vater, Hand an ihn zu legen. Er stieß uns wuͤthend zuruͤk, starrte seinen Vater mit der vollen Miene seiner ehmaligen Raserey an und bruͤllte Schaum vor dem Munde: »Auch er hat sich wider mich verschworen, Rabenvater, auch Er? Er war wohl Schuld, daß sie mich hier einsperrten, und folterten, und der Verzweiflung Preis gaben?« — — Der Jnspector war nach Huͤlfe gesprungen. Jch hielt den Sohn aus allen Kraͤften. Er schleuderte mich zum zweitenmal an die Wand, ergrif ein großes zinnernes Wassergefaͤß, das auf dem Tisch stund, faßte seinen Vater hinten am Haar und rief: »Dein Auge ist vertroknet, du hast keine Mitleidstraͤhne fuͤr deinen Sohn, Kannibale? — Ha so soll Blut statt der Traͤhnen fliessen«. — So rief er, und stieß seinem Vater die Muͤndung des Gefaͤsses mit knir- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0122" n="122"/><lb/> That ich nicht alles, was ich <choice><corr>Jhnen</corr><sic>ihnen</sic></choice> an den Augen ansehen konnte? bracht' ich Jhnen nicht mehr, als ich sollte?«</p> <p>Franz hoͤrte nichts. Alle Bilder seines ehemaligen grauenvollen Zustandes stuͤrzten wie eine Gewitternacht auf ihn herab. Jch nahm ihn am Arme, ich wollte ihn gewaltsam hinwegfuͤhren. Er riß sich los, und fuhr immer <choice><corr>fuͤrchterlicher</corr><sic>fuͤrchterlichtr</sic></choice> fort: »Hier fuͤtterten sie mich mit Wasser und schimmligem Brod! — Hier waͤlzt' ich mich im Staube, und rang mit allen Schreknissen desTodes« <choice><corr>u.s.f.</corr><sic>s.f.</sic></choice> — Jch befahl dem Jnspector und dem Vater, Hand an ihn zu legen. Er stieß uns wuͤthend zuruͤk, starrte seinen Vater mit der vollen Miene seiner ehmaligen Raserey an und bruͤllte Schaum vor dem Munde: »Auch er hat sich wider mich verschworen, Rabenvater, auch Er? Er war wohl Schuld, daß sie mich hier einsperrten, und folterten, und der Verzweiflung Preis gaben?« — — Der Jnspector war nach Huͤlfe gesprungen. Jch hielt den Sohn aus allen Kraͤften. Er schleuderte mich zum zweitenmal an die Wand, ergrif ein großes zinnernes Wassergefaͤß, das auf dem Tisch stund, faßte seinen Vater hinten am Haar und rief: »Dein Auge ist vertroknet, du hast keine Mitleidstraͤhne fuͤr deinen Sohn, Kannibale? — Ha so soll Blut statt der Traͤhnen fliessen«. — So rief er, und stieß seinem Vater die Muͤndung des Gefaͤsses mit knir-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0122]
That ich nicht alles, was ich Jhnen an den Augen ansehen konnte? bracht' ich Jhnen nicht mehr, als ich sollte?«
Franz hoͤrte nichts. Alle Bilder seines ehemaligen grauenvollen Zustandes stuͤrzten wie eine Gewitternacht auf ihn herab. Jch nahm ihn am Arme, ich wollte ihn gewaltsam hinwegfuͤhren. Er riß sich los, und fuhr immer fuͤrchterlicher fort: »Hier fuͤtterten sie mich mit Wasser und schimmligem Brod! — Hier waͤlzt' ich mich im Staube, und rang mit allen Schreknissen desTodes« u.s.f. — Jch befahl dem Jnspector und dem Vater, Hand an ihn zu legen. Er stieß uns wuͤthend zuruͤk, starrte seinen Vater mit der vollen Miene seiner ehmaligen Raserey an und bruͤllte Schaum vor dem Munde: »Auch er hat sich wider mich verschworen, Rabenvater, auch Er? Er war wohl Schuld, daß sie mich hier einsperrten, und folterten, und der Verzweiflung Preis gaben?« — — Der Jnspector war nach Huͤlfe gesprungen. Jch hielt den Sohn aus allen Kraͤften. Er schleuderte mich zum zweitenmal an die Wand, ergrif ein großes zinnernes Wassergefaͤß, das auf dem Tisch stund, faßte seinen Vater hinten am Haar und rief: »Dein Auge ist vertroknet, du hast keine Mitleidstraͤhne fuͤr deinen Sohn, Kannibale? — Ha so soll Blut statt der Traͤhnen fliessen«. — So rief er, und stieß seinem Vater die Muͤndung des Gefaͤsses mit knir-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/122>, abgerufen am 16.02.2025. |