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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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Der Vater. Weg damit! Was soll die Träumerey am heutigen Tage? Schlag dir den Plunder aus'm Kopf, und stimm 'n schmuckes Weinlied an.

Wir giengen weiter. Unsre Gesellschaft hatte eine gute Strecke voraus gewonnen, und wartete. Auf einmal brach Franz lautlachend aus: "Mein Gott, wie man so blind seyn kann! Da sinn ich hin und her, und kann's nicht reimen. Und Sie lassen mich in der Patsche, sauberer Doktor, und sagen mir nichts. Jst dieß da drüben nicht die Jammerklause, wo ihr mich armen Schächer so lange gefangen hieltet?"

Er wies mit dem Stok gerade auf das Zimmer des Tollhauses, wo er zwey Monate gesessen hatte. Diese Frage setzte mich noch in größere Verlegenheit, als die obige.

Jch. Wie sollten Sie, und dies Zimmer zusammen kommen? -- Merken Sies denn nicht, daß dies dort das Tollhaus ist? -- Wie könnten Sie sich in aller Welt dahin verirren?

Er. Man denke! Als ob ichs nicht wüßte, daß ihr mich über ein halbes Jahr wie einen puren Narren behandelt, mich eingeschlossen, gebunden, und mißhandelt habt? Nicht wüßte, daß ihr mich


Der Vater. Weg damit! Was soll die Traͤumerey am heutigen Tage? Schlag dir den Plunder aus'm Kopf, und stimm 'n schmuckes Weinlied an.

Wir giengen weiter. Unsre Gesellschaft hatte eine gute Strecke voraus gewonnen, und wartete. Auf einmal brach Franz lautlachend aus: »Mein Gott, wie man so blind seyn kann! Da sinn ich hin und her, und kann's nicht reimen. Und Sie lassen mich in der Patsche, sauberer Doktor, und sagen mir nichts. Jst dieß da druͤben nicht die Jammerklause, wo ihr mich armen Schaͤcher so lange gefangen hieltet?«

Er wies mit dem Stok gerade auf das Zimmer des Tollhauses, wo er zwey Monate gesessen hatte. Diese Frage setzte mich noch in groͤßere Verlegenheit, als die obige.

Jch. Wie sollten Sie, und dies Zimmer zusammen kommen? — Merken Sies denn nicht, daß dies dort das Tollhaus ist? — Wie koͤnnten Sie sich in aller Welt dahin verirren?

Er. Man denke! Als ob ichs nicht wuͤßte, daß ihr mich uͤber ein halbes Jahr wie einen puren Narren behandelt, mich eingeschlossen, gebunden, und mißhandelt habt? Nicht wuͤßte, daß ihr mich

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[117/0117] Der Vater. Weg damit! Was soll die Traͤumerey am heutigen Tage? Schlag dir den Plunder aus'm Kopf, und stimm 'n schmuckes Weinlied an. Wir giengen weiter. Unsre Gesellschaft hatte eine gute Strecke voraus gewonnen, und wartete. Auf einmal brach Franz lautlachend aus: »Mein Gott, wie man so blind seyn kann! Da sinn ich hin und her, und kann's nicht reimen. Und Sie lassen mich in der Patsche, sauberer Doktor, und sagen mir nichts. Jst dieß da druͤben nicht die Jammerklause, wo ihr mich armen Schaͤcher so lange gefangen hieltet?« Er wies mit dem Stok gerade auf das Zimmer des Tollhauses, wo er zwey Monate gesessen hatte. Diese Frage setzte mich noch in groͤßere Verlegenheit, als die obige. Jch. Wie sollten Sie, und dies Zimmer zusammen kommen? — Merken Sies denn nicht, daß dies dort das Tollhaus ist? — Wie koͤnnten Sie sich in aller Welt dahin verirren? Er. Man denke! Als ob ichs nicht wuͤßte, daß ihr mich uͤber ein halbes Jahr wie einen puren Narren behandelt, mich eingeschlossen, gebunden, und mißhandelt habt? Nicht wuͤßte, daß ihr mich

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/117>, abgerufen am 08.05.2024.