Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="100"/><lb/> Jrrwege zuruͤkzufuͤhren; er hoͤrte sie nicht. Sie brachten ihm Gruͤnde der Logik und der gesunden Vernunft; — er schlug sie mit Ontologischen Spizfuͤndigkeiten zuruͤk. Sie suchten seine Erklaͤrungswuth bey auffallenden Gelegenheiten auf eine feine Art laͤcherlich zu machen. Er drohte mit seinem ewigen Haß. Sie nahmen ihm auf Anrathen seiner Lehrer heimlich seine Folianten, seine Manuscripte und Nachtlampe hinweg. Er weinte wie ein Kind, gieng halbe Naͤchte lang einsam in seinem Schlafzimmer auf und ab, deklamirte Stunden lang ganze Capitel aus seinem Johannes, ließ Geister erscheinen, und disputirte mit ihnen so herzhaft uͤber die Auferstehung, daß alle Schlaͤfer erwachten. Man zog den Arzt zu Rath; man hielt ihn von den Hoͤrsaͤlen zuruͤk; man verordnete ihm zwekmaͤßige Diaͤt; gab ihm leichte unterhaltende Buͤcher zur Zerstreuung: Er stieß alles mit Fuͤßen von sich. Man ließ ihn Nachts bewachen, um ihn gewaltsam von seinen naͤchtlichen Kreuzzuͤgen abzuhalten. Man fand den Waͤchter am folgenden Morgen unmaͤchtig in seinem Blute. »Halten mich die Hunde fuͤr toll? Glauben sie, ich haͤtte den Verstand verlohren? wollen sie mich wie einen Aberwitzigen gaͤngeln und bewachen lassen? so will ich ihnen auch begegnen wie Hunden. Die Augen, womit sie nicht sehen, will ich ihnen aus dem Kopf reißen, die Ohren, womit sie nicht hoͤren, will ich ihnen vom Haupt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0100]
Jrrwege zuruͤkzufuͤhren; er hoͤrte sie nicht. Sie brachten ihm Gruͤnde der Logik und der gesunden Vernunft; — er schlug sie mit Ontologischen Spizfuͤndigkeiten zuruͤk. Sie suchten seine Erklaͤrungswuth bey auffallenden Gelegenheiten auf eine feine Art laͤcherlich zu machen. Er drohte mit seinem ewigen Haß. Sie nahmen ihm auf Anrathen seiner Lehrer heimlich seine Folianten, seine Manuscripte und Nachtlampe hinweg. Er weinte wie ein Kind, gieng halbe Naͤchte lang einsam in seinem Schlafzimmer auf und ab, deklamirte Stunden lang ganze Capitel aus seinem Johannes, ließ Geister erscheinen, und disputirte mit ihnen so herzhaft uͤber die Auferstehung, daß alle Schlaͤfer erwachten. Man zog den Arzt zu Rath; man hielt ihn von den Hoͤrsaͤlen zuruͤk; man verordnete ihm zwekmaͤßige Diaͤt; gab ihm leichte unterhaltende Buͤcher zur Zerstreuung: Er stieß alles mit Fuͤßen von sich. Man ließ ihn Nachts bewachen, um ihn gewaltsam von seinen naͤchtlichen Kreuzzuͤgen abzuhalten. Man fand den Waͤchter am folgenden Morgen unmaͤchtig in seinem Blute. »Halten mich die Hunde fuͤr toll? Glauben sie, ich haͤtte den Verstand verlohren? wollen sie mich wie einen Aberwitzigen gaͤngeln und bewachen lassen? so will ich ihnen auch begegnen wie Hunden. Die Augen, womit sie nicht sehen, will ich ihnen aus dem Kopf reißen, die Ohren, womit sie nicht hoͤren, will ich ihnen vom Haupt
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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