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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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der jetzt hier zu Rom lebt, und in einem Rollbette lag, ob er etwas gemerkt habe? Eine Erschütterung der Stube und des Bettes, war seine Antwort. Um welche Zeit? fragt' ich weiter; um sechs oder sieben Uhr, erwiederte er. Jch begab mich darauf auf den Markt, und erkundigte mich bei mehrern, ob sie in der vergangenen Nacht ein Erdbeben verspürt hätten? Keiner bejahete es. Jch ging nach Hause, und siehe! ein Bedienter kam sehr traurig zu mir gelaufen, und erzählte mir, daß Johann Baptista (mein Sohn), die Brandoria Serona, seine Geliebte, die aber äusserst arm war, zum Weibe genommen habe. Hinc dolor, hinc lachrymae! Jch gehe zu ihm, und finde, daß alles geschehn ist. -- Jch hielt es für einen göttlichen Wink, welcher mir des Nachts den am vorhergehenden Abend gefaßten Entschluß meines Sohns habe entdecken wollen; denn sobald es Tag geworden war, ging ich zu meinem Sohn, eh' er das Haus verließ, und sagte ihm: (nicht bloß weil ich durch jene Erscheinung aufmerksam gemacht wurde, sondern er mir selbst sehr zerstreut vorkam,) Mein Sohn, nimm dich heute in Acht, damit du nicht ein großes Unglück stiftest. Jch weiß noch die Stelle, wo ich's ihm sagte, ich war an der Thür, weiß aber nicht, ob ich etwas von der Erschütterung hinzufügte. Nicht lange darauf fühle ich nochmals, daß das Zimmer bebt; ich fühle mit der Hand um


der jetzt hier zu Rom lebt, und in einem Rollbette lag, ob er etwas gemerkt habe? Eine Erschuͤtterung der Stube und des Bettes, war seine Antwort. Um welche Zeit? fragt' ich weiter; um sechs oder sieben Uhr, erwiederte er. Jch begab mich darauf auf den Markt, und erkundigte mich bei mehrern, ob sie in der vergangenen Nacht ein Erdbeben verspuͤrt haͤtten? Keiner bejahete es. Jch ging nach Hause, und siehe! ein Bedienter kam sehr traurig zu mir gelaufen, und erzaͤhlte mir, daß Johann Baptista (mein Sohn), die Brandoria Serona, seine Geliebte, die aber aͤusserst arm war, zum Weibe genommen habe. Hinc dolor, hinc lachrymae! Jch gehe zu ihm, und finde, daß alles geschehn ist. — Jch hielt es fuͤr einen goͤttlichen Wink, welcher mir des Nachts den am vorhergehenden Abend gefaßten Entschluß meines Sohns habe entdecken wollen; denn sobald es Tag geworden war, ging ich zu meinem Sohn, eh' er das Haus verließ, und sagte ihm: (nicht bloß weil ich durch jene Erscheinung aufmerksam gemacht wurde, sondern er mir selbst sehr zerstreut vorkam,) Mein Sohn, nimm dich heute in Acht, damit du nicht ein großes Ungluͤck stiftest. Jch weiß noch die Stelle, wo ich's ihm sagte, ich war an der Thuͤr, weiß aber nicht, ob ich etwas von der Erschuͤtterung hinzufuͤgte. Nicht lange darauf fuͤhle ich nochmals, daß das Zimmer bebt; ich fuͤhle mit der Hand um

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[91/0091] der jetzt hier zu Rom lebt, und in einem Rollbette lag, ob er etwas gemerkt habe? Eine Erschuͤtterung der Stube und des Bettes, war seine Antwort. Um welche Zeit? fragt' ich weiter; um sechs oder sieben Uhr, erwiederte er. Jch begab mich darauf auf den Markt, und erkundigte mich bei mehrern, ob sie in der vergangenen Nacht ein Erdbeben verspuͤrt haͤtten? Keiner bejahete es. Jch ging nach Hause, und siehe! ein Bedienter kam sehr traurig zu mir gelaufen, und erzaͤhlte mir, daß Johann Baptista (mein Sohn), die Brandoria Serona, seine Geliebte, die aber aͤusserst arm war, zum Weibe genommen habe. Hinc dolor, hinc lachrymae! Jch gehe zu ihm, und finde, daß alles geschehn ist. — Jch hielt es fuͤr einen goͤttlichen Wink, welcher mir des Nachts den am vorhergehenden Abend gefaßten Entschluß meines Sohns habe entdecken wollen; denn sobald es Tag geworden war, ging ich zu meinem Sohn, eh' er das Haus verließ, und sagte ihm: (nicht bloß weil ich durch jene Erscheinung aufmerksam gemacht wurde, sondern er mir selbst sehr zerstreut vorkam,) Mein Sohn, nimm dich heute in Acht, damit du nicht ein großes Ungluͤck stiftest. Jch weiß noch die Stelle, wo ich's ihm sagte, ich war an der Thuͤr, weiß aber nicht, ob ich etwas von der Erschuͤtterung hinzufuͤgte. Nicht lange darauf fuͤhle ich nochmals, daß das Zimmer bebt; ich fuͤhle mit der Hand um

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/91>, abgerufen am 27.04.2024.