Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


ermahne, daß man sich eher mit wenigem als mit vielem, aber mit anhaltendem Fleiß beschäftigen müsse. Vorzüglich muß man vor allen Dingen diejenigen Kenntnisse suchen, welche dem menschlichen Geschlecht, und zuvörderst uns selbst, nützlich sind; muß zusammenhängende und wahre Prinzipien annehmen, die alten nicht aus Haß oder Ehrgeitz verlassen, sondern bald die bald jene als die besten versuchen. Ob du dich gleich berühmt zu machen oder einen Vortheil daraus zu ziehn suchst, so ist's doch besser, eine neue Wahrheit vollkommen zu bearbeiten, als tausend zu verfolgen und -- nichts zu Stande zu bringen."

Das 40ste Kapitel seines Buchs handelt von seinen glücklichen Curen, die er an sehr vielen Kranken verrichtet, und deren Anzahl er auf 180 rechnet. Er betheuert, daß er auch hier nichts aus Ruhmbegierde oder mit Unwahrheit gesagt habe.

"Es war der 22ste December 1557, da mir es sehr wohl zu gehn schien. Es war Mitternacht, ich hatte noch nicht einschlafen können, als ich aber einschlafen wollte, kam es mir vor, als wenn mein Bette und das ganze Schlafzimmer eine Erschütterung litte. Jch glaubte, es wär' ein Erdbeben. Endlich überfiel mich der Schlaf, und ich fragte, sobald es Tag geworden war, den Simon Sosia,


ermahne, daß man sich eher mit wenigem als mit vielem, aber mit anhaltendem Fleiß beschaͤftigen muͤsse. Vorzuͤglich muß man vor allen Dingen diejenigen Kenntnisse suchen, welche dem menschlichen Geschlecht, und zuvoͤrderst uns selbst, nuͤtzlich sind; muß zusammenhaͤngende und wahre Prinzipien annehmen, die alten nicht aus Haß oder Ehrgeitz verlassen, sondern bald die bald jene als die besten versuchen. Ob du dich gleich beruͤhmt zu machen oder einen Vortheil daraus zu ziehn suchst, so ist's doch besser, eine neue Wahrheit vollkommen zu bearbeiten, als tausend zu verfolgen und — nichts zu Stande zu bringen.«

Das 40ste Kapitel seines Buchs handelt von seinen gluͤcklichen Curen, die er an sehr vielen Kranken verrichtet, und deren Anzahl er auf 180 rechnet. Er betheuert, daß er auch hier nichts aus Ruhmbegierde oder mit Unwahrheit gesagt habe.

»Es war der 22ste December 1557, da mir es sehr wohl zu gehn schien. Es war Mitternacht, ich hatte noch nicht einschlafen koͤnnen, als ich aber einschlafen wollte, kam es mir vor, als wenn mein Bette und das ganze Schlafzimmer eine Erschuͤtterung litte. Jch glaubte, es waͤr' ein Erdbeben. Endlich uͤberfiel mich der Schlaf, und ich fragte, sobald es Tag geworden war, den Simon Sosia,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0090" n="90"/><lb/>
ermahne, daß man sich eher mit <hi rendition="#b">wenigem</hi> als mit <hi rendition="#b">vielem,</hi> aber mit                         anhaltendem Fleiß bescha&#x0364;ftigen mu&#x0364;sse. Vorzu&#x0364;glich muß man vor allen Dingen                         diejenigen Kenntnisse suchen, welche dem menschlichen Geschlecht, und                         zuvo&#x0364;rderst uns selbst, nu&#x0364;tzlich sind; muß zusammenha&#x0364;ngende und wahre                         Prinzipien annehmen, die alten nicht aus Haß oder Ehrgeitz verlassen,                         sondern bald die bald jene als die besten versuchen. Ob du dich gleich                         beru&#x0364;hmt zu machen oder einen Vortheil daraus zu ziehn suchst, so ist's doch                         besser, eine neue Wahrheit vollkommen zu bearbeiten, als tausend zu                         verfolgen und &#x2014; nichts zu Stande zu bringen.«</p>
            <p>Das 40ste Kapitel seines Buchs handelt von seinen glu&#x0364;cklichen Curen, die er                         an sehr vielen Kranken verrichtet, und deren Anzahl er auf 180 rechnet. Er                         betheuert, daß er auch hier nichts aus Ruhmbegierde oder mit Unwahrheit                         gesagt habe.</p>
            <p><choice><corr>»Es</corr><sic>Es</sic></choice> war der 22ste                         December 1557, da mir es sehr wohl zu gehn schien. Es war Mitternacht, ich                         hatte noch nicht einschlafen ko&#x0364;nnen, als ich aber einschlafen wollte, kam es                         mir vor, als wenn mein Bette und das ganze Schlafzimmer eine Erschu&#x0364;tterung                         litte. Jch glaubte, es wa&#x0364;r' ein Erdbeben. Endlich u&#x0364;berfiel mich der Schlaf,                         und ich fragte, sobald es Tag geworden war, den Simon Sosia,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0090] ermahne, daß man sich eher mit wenigem als mit vielem, aber mit anhaltendem Fleiß beschaͤftigen muͤsse. Vorzuͤglich muß man vor allen Dingen diejenigen Kenntnisse suchen, welche dem menschlichen Geschlecht, und zuvoͤrderst uns selbst, nuͤtzlich sind; muß zusammenhaͤngende und wahre Prinzipien annehmen, die alten nicht aus Haß oder Ehrgeitz verlassen, sondern bald die bald jene als die besten versuchen. Ob du dich gleich beruͤhmt zu machen oder einen Vortheil daraus zu ziehn suchst, so ist's doch besser, eine neue Wahrheit vollkommen zu bearbeiten, als tausend zu verfolgen und — nichts zu Stande zu bringen.« Das 40ste Kapitel seines Buchs handelt von seinen gluͤcklichen Curen, die er an sehr vielen Kranken verrichtet, und deren Anzahl er auf 180 rechnet. Er betheuert, daß er auch hier nichts aus Ruhmbegierde oder mit Unwahrheit gesagt habe. »Es war der 22ste December 1557, da mir es sehr wohl zu gehn schien. Es war Mitternacht, ich hatte noch nicht einschlafen koͤnnen, als ich aber einschlafen wollte, kam es mir vor, als wenn mein Bette und das ganze Schlafzimmer eine Erschuͤtterung litte. Jch glaubte, es waͤr' ein Erdbeben. Endlich uͤberfiel mich der Schlaf, und ich fragte, sobald es Tag geworden war, den Simon Sosia,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/90
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/90>, abgerufen am 27.04.2024.