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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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eben aushalten kann. Auch der Trieb nach Erhöhung seiner edelsten Vollkommenheit, das heißt, der sittlichen, kann durch Ausschweifung und Ueberschnellung seinen eignen Endzweck aufhalten und hindern. -- Der andre Hauptgrund meiner Kälte bei Veranlassungen, wo ich hätte warm seyn sollen, ist der Mangel an Biegsamkeit und Geschmeidigkeit meines Charakters, die mühsame und schleppende Umschmelzung der Gestalt und des Tons meiner Vorstellungen. Jch bin eben in andre Gedanken vertieft, in fremdartige Betrachtungen und Gefühle hineingezogen, die meine ganze Vorstellungskraft noch beschäftigen und fesseln. Nun kann nichts tiefe Eindrücke auf meine Seele machen, alles Heterogene wird abgestoßen, oder in meinen vorigen Gedankenkreis hineingezogen, wo es nun ganz anders aussieht, und ganz etwas anders würkt, als wenn außer dieser und in einer ganz andern Verbindung es mir sich darstellte. Am kältsten werde ich, wo die Begriffe des andern, mit dem ich eben zu thun habe, mir zu idealisch, seine Foderungen übertrieben, der Eifer schwärmerisch und von keiner allseitigen Vorstellung der Sache, wie sie in der wirklichen Welt ist und seyn kann, begleitet zu seyn scheint.

M.



eben aushalten kann. Auch der Trieb nach Erhoͤhung seiner edelsten Vollkommenheit, das heißt, der sittlichen, kann durch Ausschweifung und Ueberschnellung seinen eignen Endzweck aufhalten und hindern. — Der andre Hauptgrund meiner Kaͤlte bei Veranlassungen, wo ich haͤtte warm seyn sollen, ist der Mangel an Biegsamkeit und Geschmeidigkeit meines Charakters, die muͤhsame und schleppende Umschmelzung der Gestalt und des Tons meiner Vorstellungen. Jch bin eben in andre Gedanken vertieft, in fremdartige Betrachtungen und Gefuͤhle hineingezogen, die meine ganze Vorstellungskraft noch beschaͤftigen und fesseln. Nun kann nichts tiefe Eindruͤcke auf meine Seele machen, alles Heterogene wird abgestoßen, oder in meinen vorigen Gedankenkreis hineingezogen, wo es nun ganz anders aussieht, und ganz etwas anders wuͤrkt, als wenn außer dieser und in einer ganz andern Verbindung es mir sich darstellte. Am kaͤltsten werde ich, wo die Begriffe des andern, mit dem ich eben zu thun habe, mir zu idealisch, seine Foderungen uͤbertrieben, der Eifer schwaͤrmerisch und von keiner allseitigen Vorstellung der Sache, wie sie in der wirklichen Welt ist und seyn kann, begleitet zu seyn scheint.

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[61/0061] eben aushalten kann. Auch der Trieb nach Erhoͤhung seiner edelsten Vollkommenheit, das heißt, der sittlichen, kann durch Ausschweifung und Ueberschnellung seinen eignen Endzweck aufhalten und hindern. — Der andre Hauptgrund meiner Kaͤlte bei Veranlassungen, wo ich haͤtte warm seyn sollen, ist der Mangel an Biegsamkeit und Geschmeidigkeit meines Charakters, die muͤhsame und schleppende Umschmelzung der Gestalt und des Tons meiner Vorstellungen. Jch bin eben in andre Gedanken vertieft, in fremdartige Betrachtungen und Gefuͤhle hineingezogen, die meine ganze Vorstellungskraft noch beschaͤftigen und fesseln. Nun kann nichts tiefe Eindruͤcke auf meine Seele machen, alles Heterogene wird abgestoßen, oder in meinen vorigen Gedankenkreis hineingezogen, wo es nun ganz anders aussieht, und ganz etwas anders wuͤrkt, als wenn außer dieser und in einer ganz andern Verbindung es mir sich darstellte. Am kaͤltsten werde ich, wo die Begriffe des andern, mit dem ich eben zu thun habe, mir zu idealisch, seine Foderungen uͤbertrieben, der Eifer schwaͤrmerisch und von keiner allseitigen Vorstellung der Sache, wie sie in der wirklichen Welt ist und seyn kann, begleitet zu seyn scheint. M.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/61>, abgerufen am 24.11.2024.