Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


daß meine Eitelkeit beleidigt worden sey. Wenn zwei Menschen sich in der Gesellschaft in's Ohr zischeln, werd ich bange, verliere die Gegenwart meines Geistes, weil ich glaube, daß man über mich übel spricht, -- und ich gebe mir oft das Ansehn eines Satyrikers, um meine Nachbarn in Gesellschaft in Furcht zu setzen. Aengstlichkeit, unbeschreibliche Aengstlichkeit überfällt mich, wenn ein andrer in mein Spiel sieht, oder sich neben mich stellt, wenn ich das Clavier spiele.

Den 28ten Dec. Mein Freund gab mir heute eine Art Liquor, um meine Magenschmerzen zu tilgen, die so oft der Grund meiner fürchterlichen Launen sind; auf einmal erwachte in mir das unglückliche Mißtrauen, daß der Liquor Gift gewesen seyn könne, und zwar ein langsam verzehrendes Gift, gleich dem aqua tofana.



daß meine Eitelkeit beleidigt worden sey. Wenn zwei Menschen sich in der Gesellschaft in's Ohr zischeln, werd ich bange, verliere die Gegenwart meines Geistes, weil ich glaube, daß man uͤber mich uͤbel spricht, — und ich gebe mir oft das Ansehn eines Satyrikers, um meine Nachbarn in Gesellschaft in Furcht zu setzen. Aengstlichkeit, unbeschreibliche Aengstlichkeit uͤberfaͤllt mich, wenn ein andrer in mein Spiel sieht, oder sich neben mich stellt, wenn ich das Clavier spiele.

Den 28ten Dec. Mein Freund gab mir heute eine Art Liquor, um meine Magenschmerzen zu tilgen, die so oft der Grund meiner fuͤrchterlichen Launen sind; auf einmal erwachte in mir das ungluͤckliche Mißtrauen, daß der Liquor Gift gewesen seyn koͤnne, und zwar ein langsam verzehrendes Gift, gleich dem aqua tofana.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0024" n="24"/><lb/>
daß meine Eitelkeit                         beleidigt worden sey. Wenn zwei Menschen sich in der Gesellschaft in's Ohr                         zischeln, werd ich bange, verliere die Gegenwart meines Geistes, weil ich                         glaube, daß man u&#x0364;ber mich u&#x0364;bel spricht, &#x2014; und ich gebe mir oft das Ansehn                         eines Satyrikers, um meine Nachbarn in Gesellschaft in Furcht zu setzen.                         Aengstlichkeit, unbeschreibliche Aengstlichkeit u&#x0364;berfa&#x0364;llt mich, wenn ein                         andrer in mein Spiel sieht, oder sich neben mich stellt, wenn ich das                         Clavier spiele.</p>
            <p>Den 28ten Dec. Mein Freund gab mir heute eine Art Liquor, um meine                         Magenschmerzen zu tilgen, die so oft der Grund meiner fu&#x0364;rchterlichen Launen                         sind; auf einmal erwachte in mir das unglu&#x0364;ckliche Mißtrauen, daß der Liquor                         Gift gewesen seyn ko&#x0364;nne, und zwar ein langsam verzehrendes Gift, gleich dem <hi rendition="#aq">aqua tofana.</hi></p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0024] daß meine Eitelkeit beleidigt worden sey. Wenn zwei Menschen sich in der Gesellschaft in's Ohr zischeln, werd ich bange, verliere die Gegenwart meines Geistes, weil ich glaube, daß man uͤber mich uͤbel spricht, — und ich gebe mir oft das Ansehn eines Satyrikers, um meine Nachbarn in Gesellschaft in Furcht zu setzen. Aengstlichkeit, unbeschreibliche Aengstlichkeit uͤberfaͤllt mich, wenn ein andrer in mein Spiel sieht, oder sich neben mich stellt, wenn ich das Clavier spiele. Den 28ten Dec. Mein Freund gab mir heute eine Art Liquor, um meine Magenschmerzen zu tilgen, die so oft der Grund meiner fuͤrchterlichen Launen sind; auf einmal erwachte in mir das ungluͤckliche Mißtrauen, daß der Liquor Gift gewesen seyn koͤnne, und zwar ein langsam verzehrendes Gift, gleich dem aqua tofana.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/24
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/24>, abgerufen am 21.11.2024.