Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.Geständnisse über das Vermögen künftige (zufällige) Dinge vorherzusehen. 4ter Band, 1tes Stück, S. 110. ff. Von einem Frauenzimmer eingeschickt. Jch habe mich über jenes vermeinte Vermögen, welches der Natur der menschlichen Seele, in so fern es sich auf bloß zufällige Dinge erstreckt, gradezu widerspricht, schon öfter erklärt. Freilich bleibt es immer auffallend, wenn eine gewisse Vorhersage (vielleicht im Scherz oder Zorn gesagt), hinterher zufälliger Weise, und wohl gar genau eintrift; allein dies beweist für jenes Vermögen nichts. Auszug aus einem Briefe. Seite 113. ff. Speier etc. Dieser Brief rührt von einem jungen Gelehrten, Herrn Schlichting in Wien her, welcher mehrere sehr lehrreiche und interessante Aufsätze in dieses Magazin geliefert hat. Gegenwärtiger Brief ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Empfindungen, und ein Belag, wie frühzeitig schon das menschliche Herz einer gewissen religiösen Schwärmerei fähig sey, je nachdem die Seele mit dahin gehörigen Bildern frühzeitig angefüllt wurde. HerrSchlichting erzählt von seinem Bruder folgendes: "Mit dem eilften Jahre ging er (sein Bruder) mit einem Schulfreunde um, der desselben Temperaments war. -- -- Beide Gestaͤndnisse uͤber das Vermoͤgen kuͤnftige (zufaͤllige) Dinge vorherzusehen. 4ter Band, 1tes Stuͤck, S. 110. ff. Von einem Frauenzimmer eingeschickt. Jch habe mich uͤber jenes vermeinte Vermoͤgen, welches der Natur der menschlichen Seele, in so fern es sich auf bloß zufaͤllige Dinge erstreckt, gradezu widerspricht, schon oͤfter erklaͤrt. Freilich bleibt es immer auffallend, wenn eine gewisse Vorhersage (vielleicht im Scherz oder Zorn gesagt), hinterher zufaͤlliger Weise, und wohl gar genau eintrift; allein dies beweist fuͤr jenes Vermoͤgen nichts. Auszug aus einem Briefe. Seite 113. ff. Speier etc. Dieser Brief ruͤhrt von einem jungen Gelehrten, Herrn Schlichting in Wien her, welcher mehrere sehr lehrreiche und interessante Aufsaͤtze in dieses Magazin geliefert hat. Gegenwaͤrtiger Brief ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Empfindungen, und ein Belag, wie fruͤhzeitig schon das menschliche Herz einer gewissen religioͤsen Schwaͤrmerei faͤhig sey, je nachdem die Seele mit dahin gehoͤrigen Bildern fruͤhzeitig angefuͤllt wurde. HerrSchlichting erzaͤhlt von seinem Bruder folgendes: »Mit dem eilften Jahre ging er (sein Bruder) mit einem Schulfreunde um, der desselben Temperaments war. — — Beide <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0014" n="14"/><lb/> <div n="3"> <head>Gestaͤndnisse uͤber das Vermoͤgen kuͤnftige (zufaͤllige) Dinge vorherzusehen. 4ter Band, 1tes Stuͤck, S. 110. ff.</head><lb/> <p>Von einem Frauenzimmer eingeschickt. Jch habe mich uͤber jenes vermeinte Vermoͤgen, welches der Natur der menschlichen Seele, in so fern es sich auf bloß <hi rendition="#b">zufaͤllige</hi> Dinge erstreckt, gradezu widerspricht, schon oͤfter erklaͤrt. Freilich bleibt es immer auffallend, wenn eine gewisse Vorhersage (vielleicht im Scherz oder Zorn gesagt), hinterher zufaͤlliger Weise, und wohl gar genau eintrift; allein dies beweist fuͤr jenes Vermoͤgen nichts.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Auszug aus einem Briefe. Seite 113. ff. Speier etc. Dieser Brief ruͤhrt von einem jungen Gelehrten, Herrn <hi rendition="#b">Schlichting</hi> in Wien her, welcher mehrere sehr lehrreiche und interessante Aufsaͤtze in dieses Magazin geliefert hat. Gegenwaͤrtiger Brief ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Empfindungen, und ein Belag, <hi rendition="#b">wie fruͤhzeitig schon das menschliche Herz einer gewissen religioͤsen Schwaͤrmerei faͤhig sey,</hi> je nachdem die Seele mit dahin gehoͤrigen Bildern fruͤhzeitig angefuͤllt wurde. Herr<hi rendition="#b">Schlichting</hi> erzaͤhlt von seinem Bruder folgendes: »Mit dem eilften Jahre ging er (sein Bruder) mit einem Schulfreunde um, der desselben Temperaments war. — — Beide<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0014]
Gestaͤndnisse uͤber das Vermoͤgen kuͤnftige (zufaͤllige) Dinge vorherzusehen. 4ter Band, 1tes Stuͤck, S. 110. ff.
Von einem Frauenzimmer eingeschickt. Jch habe mich uͤber jenes vermeinte Vermoͤgen, welches der Natur der menschlichen Seele, in so fern es sich auf bloß zufaͤllige Dinge erstreckt, gradezu widerspricht, schon oͤfter erklaͤrt. Freilich bleibt es immer auffallend, wenn eine gewisse Vorhersage (vielleicht im Scherz oder Zorn gesagt), hinterher zufaͤlliger Weise, und wohl gar genau eintrift; allein dies beweist fuͤr jenes Vermoͤgen nichts.
Auszug aus einem Briefe. Seite 113. ff. Speier etc. Dieser Brief ruͤhrt von einem jungen Gelehrten, Herrn Schlichting in Wien her, welcher mehrere sehr lehrreiche und interessante Aufsaͤtze in dieses Magazin geliefert hat. Gegenwaͤrtiger Brief ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Empfindungen, und ein Belag, wie fruͤhzeitig schon das menschliche Herz einer gewissen religioͤsen Schwaͤrmerei faͤhig sey, je nachdem die Seele mit dahin gehoͤrigen Bildern fruͤhzeitig angefuͤllt wurde. HerrSchlichting erzaͤhlt von seinem Bruder folgendes: »Mit dem eilften Jahre ging er (sein Bruder) mit einem Schulfreunde um, der desselben Temperaments war. — — Beide
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/14>, abgerufen am 27.07.2024. |